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CS-Kollaps bedroht Topposition der Schweiz in der Vermögensverwaltung

23.03.2023
um 07:27 Uhr

Zürich (Reuters) - Der Niedergang der Großbank Credit Suisse hat nach Einschätzung von Branchenexperten der Stellung der Schweiz als ein führender Platz für Vermögensverwaltung einen schweren Schlag versetzt.

Und sie sehen den Ruf des Landes in Bezug auf Stabilität, Regulierung und Corporate Governance in Gefahr. Die mit zahlreichen Skandalen und hohen Verlusten kämpfende Traditionsbank flüchtete sich am Wochenende in einer von der Regierung orchestrierten Rettungsaktion in die Arme der UBS. Der größere Rivale, der 2008 nach einem katastrophalen Ausflug in US-Hypothekenpapiere ebenfalls von der Regierung gerettet werden musste, ließ sich auf Druck von Notenbanken, Regulierungsbehörden und der Schweizer Regierung auf eine drei Milliarden Franken schwere Übernahme ein. Damit residiert in der Schweiz künftig nur noch eine Großbank, die sich mit den weltgrößten Geldhäusern messen kann.

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"Die Banker in Singapur werden die Korken knallen lassen", sagte Arturo Bris, Professor für Finanzen am International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne. Die Schweiz stehe im Wettbewerb mit anderen Finanzzentren wie Luxemburg und insbesondere Singapur, das in den vergangenen Jahren stark gewachsen sei. Die Konkurrenz werde immer härter und die jüngsten Ereignisse würden dazu beitragen, dass Singapur die Schweiz schließlich überhole, warnte Bris. "Ich denke, das ist nur eine Frage der Zeit."

Denn die Glaubwürdigkeit der Alpenrepublik als stabiles, berechenbares Land habe durch die Rettungsaktion für die 167-jährige Credit Suisse gelitten. Der Zusammenbruch des Instituts und die Folgen - etwa dass die Gläubiger von sogenannten AT1-Anleihen leer ausgehen werden - dürfte sich als sehr schädlich erweisen.

Laut einer Studie von Deloitte aus dem Jahr 2021 werden in der Schweiz 2,6 Billionen Dollar an internationalen Vermögenswerten verwaltet. Damit hat die Alpenrepublik unter den großen Finanzplätzen der Welt die Nase vorne, noch vor den USA und Großbritannien.

OFFENE FRAGEN UND WENIG SANKTIONSMÖGLICHKEITEN

Bei der Schweizerischen Bankiervereinigung sieht man die Situation wenig überraschend anders. Die Finanzbranche sei in der Lage gewesen, ein großes Problem eines bedeutenden Spielers zu lösen, sagte der Präsident des Branchenverbandes, Marcel Rohner. "Angesichts des Ausmaßes des Problems und der Ernsthaftigkeit der Krise war dies meines Erachtens eindeutig ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche." Der ehemalige UBS-Konzernchef geht nicht davon aus, dass das Vertrauen in die Bankexpertise der Schweiz zerstört wurde und sagte dem Finanzplatz eine erfolgreiche Zukunft voraus.

Andere Branchenkenner äußern sich skeptischer und weisen etwa auf die mangelnde Bereitschaft hin, sich mit den Missständen bei der Credit Suisse auseinanderzusetzen oder Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. "Es gibt viele offene Fragen: die Anwendung von Notstandsgesetzen, die sich über die Meinung der Aktionäre hinwegsetzen, oder die Behandlung von Anleihegläubigern", sagte Stefan Legge vom IFF Institut für Finanzstudien der Universität St. Gallen. "Vielleicht sind einige Leute ein bisschen illusorisch und glauben wirklich, dass sie einen tollen Job machen."

Legge zufolge könnte der Zusammenbruch der Credit Suisse ein Weckruf sein und sogar dazu führen, dass neue Gesetze zur Verbesserung in der Unternehmensführung erlassen werden. In der Schweiz gibt es nur wenige Mechanismen, um Top-Banker für Missmanagement individuell zur Verantwortung zu ziehen. In andern Finanz-Zentren wie etwa Großbritannien müssen Top-Manager strafrechtliche Sanktionen fürchten.

Auch Politiker und Gewerkschaften kritisieren die Rettungsaktion, die dazu führen könnte, dass der Steuerzahler für Verluste in Milliardenhöhe geradestehen muss.

FINANZSEKTOR SCHRUMPFT - WIRTSCHAFTSLEISTUNG KAUM

Der übergroße Bankensektor des Landes steht spätestes seit dem Fall des Bankgeheimnisses unter Druck, weil die Regierungen anderer Länder versuchen, gegen die Steuerhinterziehung ihrer Bürger vorzugehen. Der Beitrag des Finanzsektors zur Schweizer Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen und die Branche trägt noch rund neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Andere Branchen wie etwa die Pharmaindustrie haben an Bedeutung gewonnen.

Dem Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics zufolge dürften sich die Auswirkungen des Credit-Suisse-Debakels auf den Bankensektor beschränken. Es schätzt, dass bis zu 12.000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten, die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft aber begrenzt sein werden. Jan-Egbert Sturm, Chef der KOF-Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, bezifferte den Einfluss auf das BIP-Wachstum mit etwa 0,05 Prozent pro Jahr. Das liegt im Bereich der statistischen Rundungsfehler. Dank der langen Bankentradition und der strukturellen Vorteile dürfte die Schweiz auch in Zukunft stark im Bankgeschäft vertreten sein.

(Bericht von John Revill und Paul Arnold, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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