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Auftragsboom bei Gallium-Abnehmer Freiberger wegen Chinas Rohstoffpolitik

11.07.2023
um 12:22 Uhr

Frankfurt (Reuters) - Der weltgrößte Gallium-Abnehmer Freiberger Compound Materials aus Sachsen wird nach den von China angekündigten Exportkontrollen für den Halbleiter-Rohstoff von Bestellungen überrollt.

"Meine Kunden sehen das gar nicht entspannt. Es gibt jetzt ein Strohfeuer von Bestellungen, um die Lagerbestände zu erhöhen", sagte Vorstandschef Michael Harz im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Es besteht große Nervosität in der Industrie." Der Hersteller von Wafern für Mikrochips mit Sitz im sächsischen Freiberg, dessen Wurzeln in einer staatlichen Elektronikfabrik in der ehemaligen DDR liegen und das etwa zehn Prozent der weltweiten Galliumproduktion verbraucht, verfüge aber über Galliumvorräte für mehrere Monate, da es schon seit langem mit einer Handelskrise gerechnet habe. Gallium fällt als Nebenprodukt bei der Aluminium-Produktion ab. China ist der weltgrößte Hersteller dieses Leichtmetalls, das vor allem in der Chip-Industrie eingesetzt wird.

Die Auswirkungen der von China angekündigten Rohstoffkontrollen sind noch schwer einzuschätzen. Die Volksrepublik verlangt ab August für den Export von Gallium und Germanium eine Lizenz. Weltweit suchen Unternehmen wegen der sich hochschaukelnden Konfrontation zwischen der Volksrepublik und den USA nach alternativen Bezugsquellen für wichtige Materialien, um ihre Abhängigkeit zu verringern.

Die in Privatbesitz befindliche Freiberger ist für ihren Bedarf an Gallium zur Herstellung von Wafern für Mikrochips, die in Funksignalverstärkern für Mobiltelefone und in der optischen Elektronik verwendet werden, ausschließlich auf chinesische Lieferanten angewiesen. Konkurrierende Galliumanbieter waren in den vergangenen zehn Jahren aus dem Markt gedrängt worden. Mit einem Jahresumsatz von 70 bis 80 Millionen Euro und einem Marktanteil von 65 Prozent bei Galliumarsenid-Wafern für Smartphone-Leistungsverstärker konkurriert das sächsische Unternehmen mit der japanischen Sumitomo Electric und einer Reihe kleinerer chinesischer Hersteller.

Harz zufolge stellen seine chinesischen Zulieferer den Behörden nun Daten zur Verfügung, die für die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen erforderlich sind. Sie gingen davon aus, dass die Lieferungen mit Inkrafttreten der Exportkontrollen am 1. August eingestellt und etwa einen Monat später wieder aufgenommen werden, wenn die Genehmigungsanträge bearbeitet sind. Zuverlässige Informationen gebe es aber nicht. Harz selbst sieht den Schritt Chinas vorerst nur als "Säbelrasseln" der Regierung, da die weltweit führenden Hersteller von Smartphone-Leistungsverstärkern in den USA ansässig seien.

Da die Smartphone-Produktion in China in hohem Maße von diesen US-Zulieferern abhänge, wäre eine Eskalation der Exportkontrollen eine Selbstschädigung und daher unwahrscheinlich, glaubt Harz. Diese Logik ändere sich aber, wenn es China gelinge, in den nächsten drei bis fünf Jahren selbst die Produktion von Leistungsverstärkern aufzubauen, gibt Harz zu bedenken. Die Daten, die die chinesischen Behörden jetzt von den Inhabern von Handelslizenzen darüber sammelten, wer in der Welt Gallium zu welchem Zweck verwende, ermöglichten der Volksrepublik künftig konkretere Maßnahmen im Handelsstreit. "Wenn sie diese Daten eine Weile gesammelt haben, können sie mit ganz gezielten Stichen an bestimmte Stellen gehen."

Freiberger verbraucht nach eigenen Angaben mehrere Dutzend Tonnen Gallium pro Jahr, was den Rohstoff zum teuersten Einzelposten in der Produktion macht. Für die Exportkontrollen sieht Herz nur beschränkte Gegenmaßnahmen: "Das einzige, was wir bisher machen konnten, sind Reserven aufzubauen. Wir haben Reserven, die uns einige Monate tragen, aber nicht für die Ewigkeit." Harz forderte, dass die Gallium-Produktion auch außerhalb Chinas wieder aufgebaut werden müsse. "Wir müssen nach Möglichkeiten suchen, über die Aluminiumoxid-Produktion in Deutschland, Europa oder den USA solche Gallium-Kapazitäten wieder zu erschließen." Er sprach sich auch dafür aus, den Chip-Herstellern den Weg für das Recycling von Gallium aus Produktionsabfällen zu ebnen. Die Politik müsse die Industrie darin unterstützen, Rohstoffreserven anzulegen. "Insbesondere mittelständischen Firmen fehlt hier oft die Finanzdecke, da Rohstoffe sehr teuer sein können."

(Bericht von Ludwig Burger, geschrieben von Patricia Weiß, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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