Frankfurt (Reuters) - Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erwägt zur Verhinderung von weiteren Engpässen ein Exportverbot des Diabetesmittels Ozempic.
Das Medikament des dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk enthält den gleichen Wirkstoff wie dessen begehrte Abnehmspritze Wegovy. Ozempic ist jedoch deutlich günstiger, weshalb es zunehmend außerhalb seiner eigentlichen Zulassung (Off-Label) zum Abnehmen genutzt wird. In Deutschland ist es zudem billiger als in vielen anderen Ländern, wie BfArM-Präsident Karl Broich dem "Spiegel" sagte. "Wir wissen, dass ein Teil der Spritzen, die für unsere Diabetespatienten nach Deutschland geliefert werden, in andere europäische Länder oder die USA abfließen", betonte Broich. Dies sei ein großes Problem. "Wir brauchen das Medikament für die Versorgung von Diabetespatienten und nicht als Lifestyle-Medikament."
Das Institut befinde sich deshalb derzeit in Gesprächen mit der Politik, um weitere Schritte zu klären, wenn die bisherigen Maßnahmen keine Wirkung zeigten. "Wir würden dann überlegen, ein Exportverbot zu erlassen, damit genug für Patientinnen und Patienten, die es brauchen, hier im Land bleibt. Das ist ein Schwert, das wir im Sinne des freien Marktes nur selten zücken können", sagte Broich. Das BfArM hatte im Oktober erneut dazu aufgerufen, die Medikamente aus der Klasse der GLP-1-Rezeptor-Agonisten, zu denen Ozempic und auch Trulicity von Eli Lilly gehören, nur für ihren zugelassenen Einsatz gegen Diabetes zu verschreiben. Die Verfügbarkeit der Mittel sei seit dem Frühjahr - trotz der Bemühungen der Arzneimittelhersteller, ihre Produktion hochzufahren - eingeschränkt.
Die Verwendung von Ozempic zur Gewichtsabnahme hat in ganz Europa zu Engpässen bei dem Medikament geführt. Großbritannien und Belgien haben die Verwendung von Ozempic zur Gewichtsabnahme bereits vorübergehend verboten, um die Verfügbarkeit für Diabetiker sicherzustellen.
Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels Phagro erklärte am Mittwoch, dass es bislang keine Gewissheit gebe, dass Exporte Engpässe bei Ozempic verursachten. "Maßnahmen der Exportkontrolle sind Exportverboten als milderes Mittel vorzuziehen, jedenfalls solange kein Beweis für einen direkten Zusammenhang von Nichtverfügbarkeiten und Exporten geführt werden kann." Das EU-Recht gehe vom Grundsatz der Exportfreiheit für Waren der Gemeinschaft in Drittländer aus. Nach Angaben der Lobbygruppe Affordable Medicines Europe haben jedoch schon mehrere EU-Länder die Ausfuhr von Ozempic gestoppt, darunter Österreich und Frankreich.
BfArM-Präsident Broich warnte unterdessen vor dem Missbrauch von Ozempic. Es werde so getan, als hätten diese Medikamente keine Nebenwirkungen. "Die haben sie sehr wohl. Es gibt offenbar keine vernünftige Nutzen-Risiko-Abwägung mehr, und die Nebenwirkungen werden völlig unter den Tisch gekehrt."
(Bericht von Patricia Weiß und Ludwig Burger, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)