Washington/Doha/Dubai (Reuters) - Die USA und Großbritannien haben in der Nacht zum Freitag nach eigenen Angaben mehrere Militäranlagen der Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen.
"Diese Angriffe sind eine direkte Reaktion auf die beispiellosen Angriffe der Huthi auf internationale Schiffe im Roten Meer", erklärte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag (Ortszeit) und fügte hinzu, dass er nicht zögern werde, weitere Maßnahmen zum Schutz der Menschen und des freien Handelsflusses anzuordnen. Der britische Premierminister Rishi Sunak erklärte am Freitag, dass die Royal Air Force des Landes an der Seite der USA und mit nicht-operativer Unterstützung der Niederlande, Australiens, Kanadas und Bahrains gezielte Angriffe auf militärische Stellungen der Miliz gestartet habe. "Die genauen Ergebnisse der Angriffe im Jemen werden noch ausgewertet, aber erste Anzeichen deuten darauf hin, das die Fähigkeit der Huthi, die Handelsschifffahrt zu bedrohen, einen Rückschlag erlitten hat", hieß es in der Erklärung des Premierministers.
Dem amerikanischen Verteidigungsministerium zufolge haben die Angriffe auf die Huthi-Stützpunkte aus der Luft und von See aus statt gefunden. Wie US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in einer Erklärung mitteilte, war es das Ziel, Drohnen, ballistische Raketen und Marschflugkörper, das Küstenradar und die Luftüberwachung der Rebellen zu zerstören. Wie mehrere Zeugen vor Ort gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters berichteten, wurde ein Militärstützpunkt neben dem Flughafen der Hauptstadt Sanaa sowie ein Standort in der Nähe des Flughafens Taiz getroffen. Zudem sollen ein Huthi-Marinestützpunkt in Hodeidah und Militärstandorte im Gouvernment Hadschah Ziel der Angriffe gewesen sein. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person aus US-Regierungskreisen erklärte, die Angriffe seien gegen mehr als ein Dutzend Standorte gerichtet gewesen. Großbritannien setzte nach Angaben der britischen Regierung vier Eurofighter Typhoon Kampfflugzeuge ein.
HUTHI-MILIZ BESTÄTIGT ANGRIFFE
Die Angriffe der USA und Großbritanniens wurden auch von einem Sprecher der Huthi-Miliz bestätigt. Wie Abdul Qader al-Mortada auf X, vormals Twitter, schrieb, habe es Angriffe auf verschiedene jemenitische Städte gegeben. Er bezeichnete den Angriff als "amerikanisch-zionistisch-britische Aggression gegen den Jemen". Zuvor hatte der Anführer der Huthis am Donnerstag erklärt, dass jeder Angriff der USA auf die Gruppe nicht ohne Antwort bleiben werde. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person aus US-Regierungskreisen erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass bisher keine Vergeltungsmaßnahme der Miliz gegenüber den USA und Großbritannien verzeichnet werden konnte, man aber nicht überrascht wäre, wenn die Huthi-Rebellen zum Gegenschlag ausholten. Nach Angaben des US-Militärs feuerten die Huthis am Donnerstag eine ballistische Anti-Schiffs-Rakete in die internationalen Schifffahrtswege im Golf von Aden ab - der 27. Angriff der Gruppe seit dem 19. November.
SAUDI-ARABIEN REAGIERT BESORGT
Das Außenministerium Saudi-Arabiens teilte in einer Erklärung mit, dass man die Luftangriffe im Jemen mit großer Besorgnis beobachte und zur Vermeidung einer Eskalation angesichts der Ereignisse in der Region aufrufe. Das Ministerium bezieht sich dabei auf die Kämpfe im Gazastreifen, die mit den Angriffen der Huthi-Rebellen auf die Handelsschifffahrt in Verbindung stehen, da sich die Miliz mit der radikal-islamischen Hamas solidarisch erklärt hat. Japan hat als Verbündeter der USA und Großbritannien die Maßnahme beider Länder unterstützt, wie Regierungssprecher Yoshimasa Hayashi am Freitag vor Reportern sagte. Das Land verurteilte die Angriffe der Huthi-Rebellen, die die freie Durchfahrt von Handelsschiffen in der betroffenen Region gefährdeten. Der australische Verteidigungsminister Richard Marles erklärte am Freitag, sein Land habe die Angriffe der USA und Großbritanniens im Jemen mit Militärpersonal unterstützt.
KONFLIKT BEEINTRÄCHTIGT HANDELSSCHIFFFAHRT UND UNTERNEHMEN
Ägyptens Einnahmen aus dem Suez-Kanal sind wegen der Angriffe von Huthi-Rebellen auf Schiffe seit Jahresbeginn im Vergleich zu 2023 um 40 Prozent eingebrochen. Das sagte der Leiter der Kanalbehörde, Osama Rabie, am Donnerstag im Fernsehen. Der Schiffsverkehr sei zwischen dem 1. und dem 11. Januar im Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent zurückgegangen. In dem ans Rote Meer grenzenden Jemen haben die Huthi-Rebellen wiederholt Schiffe vor der von ihnen kontrollierten Küste attackiert. Viele Schiffe meiden daher das Rote Meer und den Suez-Kanal und fahren einen Umweg um Südafrika, was zu höheren Kosten und längeren Roten führt. 15 Prozent des Welthandels verlaufen durch den Suez-Kanal zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer. Es ist die kürzeste Schiffsverbindung zwischen Asien und Europa.
US-Elektroautobauer Tesla muss in Folge dessen einen Großteil seiner Fahrzeugfertigung im brandenburgischen Werk Grünheide für zwei Wochen unterbrechen. Grund sei das Fehlen von Bauteilen wegen der Sicherheitslage im Roten Meer, teilte der E-Auto-Pionier am späten Donnerstagabend in einer Erklärung an die Nachrichtenagentur Reuters mit. Durch die erheblich längeren Transportzeiten sei eine Lücke in den Lieferketten entstanden. Man sei deshalb gezwungen, zwischen dem 29. Januar und dem 11. Februar die Fertigung in der Gigafactory mit Ausnahme einiger weniger Teilbereiche ruhen zu lassen. "Ab dem 12. Februar wird die Produktion wieder vollumfänglich aufgenommen." Tesla ist der erste Konzern, der eine Produktionslücke wegen des Konflikts bekanntgibt. Mehrere Unternehmen - darunter etwa der chinesische Autobauer Geely und das Einrichtungshaus Ikea - haben dagegen vor Verzögerungen bei den Lieferungen gewarnt.
USA UND GROßBRITANNIEN WOLLEN KEINE ESKALATION
Es ist das erste Mal, dass die vom Iran unterstützte Gruppe der Huthi-Rebellen bekämpft wird, seit diese Ende vergangenen Jahres damit begonnen hat, internationale Schiffe im Roten Meer anzugreifen. Die Angriffe im Jemen gelten als Ausweitung des Krieges im Gazastreifen, obwohl die USA und Großbritannien sowie ihre Verbündeten gemeinsam erklärten, die Situation nicht eskalieren lassen zu wollen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) hatte die Huthi-Rebellen am Donnerstag noch dazu aufgerufen, ihre Angriffe auf Schiffe unverzüglich einzustellen. Dies ging aus einer Resolution des Sicherheitsrates hervor, die mit elf Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und vier Enthaltungen angenommen wurde. Die Resolution unterstützt die von den USA geführte Task Force zur Verteidigung der Schiffe, warnte aber gleichzeitig vor einer Eskalation der Spannungen.
(Bericht von Phil Stewart, Idrees Ali, Jeff Mason, Kanishka Singh und Eric Beech in Washington; Andrew Mills in Doha und Maher Hatem in Dubai, geschrieben von Alexandra Falk. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)