Reuters

Ukraine und Wirtschaft ? Deutschland und China betonen Annäherungen

16.04.2024
um 16:47 Uhr

- von Andreas Rinke und Ryan Woo und Matthias Williams

Peking (Reuters) - Deutschland und China haben beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz eine Annäherung in zentralen Fragen wie dem Ukraine-Krieg und bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verkündet.

Er sei sich mit Präsident Xi Jinping einig, dass man Friedensformate stärken und Angriffe auf den ukrainischen Agrarsektor sowie Atomanlagen unterlassen sollte, sagte Scholz am Dienstag in Peking. Er hatte zuvor fast dreieinhalb Stunden mit Xi beraten und danach auch Ministerpräsident Li Qiang getroffen. Beide Regierungen vereinbarten, die Importbeschränkungen für deutsche Äpfel, Rindfleisch und teilweise Schweinefleisch abzubauen und über Datenaustausch bei der Entwicklung des autonomen Fahren zu sprechen. Die chinesische Regierung forderte ihrerseits mehr Zugang zum deutschen Markt.

Die außenpolitischen Krisen hatten zunächst die dreitägige China-Reise des Kanzlers überschattet, vor allem nach dem iranischen Angriff auf Israel. Scholz hatte aber schon zuvor angekündigt, dass er die chinesische Regierung im Ukraine-Krieg in der Pflicht sieht, ihren Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin für ein Kriegsende zu nutzen. "Ich habe Präsident Xi gebeten, auf Russland einzuwirken, damit Putin seinen irrsinnigen Feldzug endlich abbricht, seine Truppen zurückzieht und diesen furchtbaren Krieg beendet", sagte der Kanzler nach seinem Treffen mit Xi. Scholz betonte in einem gemeinsamen Statement mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li, dass Russlands Angriff deutsche und europäische Kerninteressen unmittelbar betreffe. "Mittelbar" werde aber die gesamte internationale Ordnung beschädigt. Fragen waren nicht zugelassen.

FOKUS AUF WIRTSCHAFTSZUSAMMENARBEIT

Die Gespräche in Peking waren aber auch von den Wirtschaftsbeziehungen geprägt, zumal Scholz von einer Wirtschaftsdelegation begleitet wurde und zuvor schon deutsche Firmen in den Städten Chongqing und Shanghai besucht hatte. "Mir ist wichtig zu sagen: Wir wollen kein De-Coupling von China", betonte der Kanzler in Peking. "Wir wollen, dass China ökonomisch weiterhin Erfolg hat." Die Volksrepublik solle ein wichtiger Wirtschaftspartner für Deutschland und für ganz Europa bleiben. Allerdings seien die Grundlage dafür faire Wettbewerbsbedingungen. "Ministerpräsident Li und ich haben ausführlich über gleichberechtigten Marktzugang, den Schutz geistigen Eigentums und die Notwendigkeit verlässlicher rechtlicher Rahmenbedingungen gesprochen", erklärte Scholz.

Mit Blick auf die von der Ampel-Regierung 2023 beschlossene China-Strategie erklärte Scholz, dass es in Deutschland und Europa darum gehe, einseitige Abhängigkeiten zu verringern, Lieferketten zu diversifizieren und Risiken für die Wirtschaft zu reduzieren. Es gehe auch darum, strukturelle Nachteile für deutsche Firmen abzubauen. Gleiche Wettbewerbsbedingungen seien nötig.

Li machte klar, dass China für ein Entgegenkommen eine Gegenleistung möchte. "China ist gerne bereit, mehr hochqualitative deutsche Produkte zu importieren und ist damit einverstanden, die Beschränkungen bezüglich Rindfleisch und Äpfeln aus Deutschland aufzuheben", sagte er. Dem Kanzler zufolge erwähnte, dass auch das Einfuhrverbot für Schweinefleisch aus Regionen aufgehoben werde, in denen es keine Schweinepest mehr gebe. "Wir hoffen, dass umgekehrt Deutschland die Exportkontrolle gegenüber China bei Hightech-Produkten sowie Produkten mit hohem Mehrwert aufheben kann", fügte Li hinzu. Hintergrund sind etwa Exportbeschränkungen, die die USA wegen der geopolitischen Spannungen und aus Gründe der nationalen Sicherheit gegen China beschlossen haben. Die Bundesregierung prüft derzeit wie etwa beim 5G-Mobilfunknetz, ob und wo künftig noch Komponenten auch von chinesischen Herstellern verwendet werden sollen.

Li wies zudem Vorwürfe aus Europa und anderen Regionen der Welt zurück, dass China wegen der schwachen Binnennachfrage Überproduktionen in etlichen Wirtschaftsbereichen auf den Weltmarkt zu werfen. "Industriesubventionen sind eine gängige Praxis in der Welt und viele Länder haben noch viel mehr Subventionen als China", sagte Li, ohne Länder wie die USA mit ihren Milliarden-Subventionen für klimafreundliche Technologien zu nennen. Chinas Subventionspolitik entspreche den Regelungen der Welthandelsorganisation WTO. Das Land habe aber einen Wettbewerbsvorteil, weil es langfristig in Industrien wie die Solarbranche investiert und deshalb besondere technische Fähigkeiten erhalte habe. Zudem habe China einen Riesenmarkt.

In der EU gibt es Differenzen, ob die EU-Kommission härter gegen China wegen Subventionen etwa in der Solarindustrie oder bei E-Autos vorgehen sollte. Scholz hatte sich zurückhaltend dazu geäußert und ebenfalls auf die hohe Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie verwiesen. Man solle Handelsrestriktionen nicht aus protektionistischen Gründen anstreben.

AUTO-CHEFS WARNEN VOR HANDELSSTREIT

Die Chefs der beiden deutschen Autokonzerne BMW und Mercedes-Benz hatten schon vor den Regierungsgesprächen in Peking vor einem Handelsstreit etwa über chinesische E-Autos in Europa gewarnt. "Was wir nicht gebrauchen können als Exportnation sind steigende Handelshindernisse", sagte Mercedes-Chef Ola Källenius in Peking der ARD zu der EU-Prüfung, ob es einen unfairen Wettbewerb durch chinesische E-Autos gibt. "Der beste Schutz ist wettbewerbsfähig zu sein. Und wenn man anfängt Handelshindernisse aufzubauen, erst der eine und dann der andere, dann führt das in die falsche Richtung." Källenius bezeichnete wie auch BMW-Chef Oliver Zipse China eher als Chance denn als Risiko. Die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehung müssten nicht nur gepflegt, sondern auch ausgebaut werden. "Sich von so einem großen Markt zurückzuziehen, ist keine Alternative, sondern wir bauen eher unsere Position aus", sagte er zur Mercedes-Strategie in China.

BMW sei bereits weltweit aufgestellt, was die beste Strategie sei, Abhängigkeiten von einem Markt zu minimieren, sagte Zipse. Auch er äußerte sich skeptisch zu EU-Prüfungen bei chinesischen E-Autos. "Wir fühlen uns nicht bedroht. Auch diesmal sollten wir es nicht übertreiben mit der Angst vor ausländischen Herstellern. Wir sind zuversichtlich, dass wir wettbewerbsfähig sind." Beide Premium-Auto-Hersteller sind stark auf dem chinesischen Markt vertreten. Sie spüren den Konkurrenzdruck weniger als die Hersteller vorwiegend kleinerer Autos, bei denen die Margen geringer und die Zahl der chinesischen Konkurrenten gerade bei E-Autos höher ist.

(Mitarbeit Sarah Marsh und Ryan Woo, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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