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Ökonomen-Stimmen zum Ifo-Geschäftsklima

25.11.2024
um 12:20 Uhr

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im November nach einer Erholung im Vormonat wieder verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima fiel um 0,8 Punkte auf 85,7 Zähler, wie das Ifo-Institut am Montag in München mitteilte. Damit näherte sich das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer wieder dem tiefsten Stand seit Beginn des Jahres, der im September bei 85,4 Punkten erreicht worden war.

Einschätzungen von Bank-Volkswirten im Überblick:

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank:

"Das Wahlergebnis in den USA sowie der Stillstand in der deutschen Politik nach dem Ampel-Aus sind sicherlich nicht förderlich für die Zuversicht in den deutschen Unternehmen. Aber am meisten leiden die Unternehmen unter der abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland. Die negativen Effekte verstärken sich dabei mittlerweile selber, wenn etwa Entlassungen am Standort Deutschland auf das Konsumvertrauen und damit die Nachfrage in Deutschland drücken."

Christoph Swonke, Konjunkturanalyst bei der DZ Bank:

"Im Mittelpunkt der Umfrage dürfte der Wahlsieg von Donald Trump stehen. Seine Ankündigung, Zölle in Höhe von zehn Prozent auf europäische Importe einzuführen, treibt der hiesigen Wirtschaft Sorgenfalten auf die Stirn. Das könnte bei der ohnehin schon anhaltenden Auftragsflaute für noch mehr Sand im Getriebe sorgen. (...) Zudem sorgt das Ende der Ampelkoalition für Verunsicherung. Eine neue handlungsfähige Regierung steht vermutlich erst im April. Angesichts der vielfältigen Probleme der deutschen Wirtschaft drängt aber die Zeit."

Ralf Umlauf, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen:

"Die Verbesserung im Oktober war nur vorübergehend und stellt noch keine Trendwende dar, denn im laufenden Monat trübte sich die Stimmungslage der deutschen Wirtschaft wieder ein. Eine dynamischere Konjunkturentwicklung ist im vierten Quartal wohl nicht zu erwarten. Immerhin fällt das Minus bei den Geschäftserwartungen aber nur gering aus, sodass Hoffnungen auf ein besseres 2025 bestehen bleiben. Die Zinssenkungserwartungen bezüglich der Dezember-Sitzung des EZB-Rates dürfte gleichwohl nicht geschmälert werden."

Robin Winkler, Chefvolkswirt für Deutschland bei Deutsche Bank Research:

"Der Dämpfer im Ifo-Geschäftsklima ist allein auf eine schwächere Lagebeurteilung im November zurückzuführen; die Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate sind hingegen im Vergleich zum Oktober stabil geblieben. Dies ist angesichts der politischen Ereignisse der vergangenen drei Wochen erstaunlich. Entweder machen sich die deutschen Unternehmen im Hinblick auf die US-Handelspolitik noch keine allzu großen Sorgen. Oder diese Sorgen werden durch den Ausblick auf Neuwahlen in Deutschland kompensiert."

Martin Moryson, Chefvolkswirt für Europa bei der Fondsgesellschaft DWS:

"Die erneute Aussicht auf eine globalisierungsfeindliche Politik in Washington hat den hiesigen Unternehmern die Stimmung vermiest. Aber auch die heimischen Aussichten sind nicht besonders rosig. So stagniert die Lage im Dienstleistungsbereich seit einiger Zeit. Einziger Lichtblick ist der Konsument. Aufgrund der erstaunlich robusten Lage am Arbeitsmarkt trägt der private Konsum wieder zum Wachstum bei. Und das lässt die Händler ihre Lage wieder etwas positiver sehen und auch zuversichtlicher in die Zukunft blicken."

Jens-Oliver Niklasch, Volkswirt bei Landesbank Baden-Württemberg:

"Der erwartete erneute Rückgang zeigt, dass es für die Konjunktur im Schlussquartal schlechter gelaufen sein dürfte als zuvor. Wer mag, kann vielleicht Trost in den nahezu stabilen Erwartungen finden. Schlechter kann es nach Ansicht der befragten Unternehmen derzeit wohl kaum werden. Andererseits muss man sich auch fragen, warum es jetzt besser werden sollte. Binnenwirtschaftlich herrscht Stillstand, und im Rest der Welt nehmen die Risiken eher zu. Wir bleiben daher auf der pessimistischen Seite und erwarten im kommenden Jahr einen weiteren Rückgang des BIP."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank:

"Die Wellblechkonjunktur setzt sich fort. Die deutsche Volkswirtschaft wird sich auch in den kommenden Quartalen zwischen leichtem Wachstum, Stagnation und leichtem Rückgang befinden. Kommt es zu größeren Schäden am Arbeitsmarkt, könnte sich die Situation sogar noch verschärfen. In den vergangenen Quartalen zeigte sich der Arbeitsmarkt trotz der schwierigen Auftragssituation in der Industrie recht stabil. Wenn sich nun bei den Verbrauchern Jobunsicherheit breit macht, könnte trotz fallender Zinsen die Anschaffungsneigung für den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses darunter leiden. In diesem Falle käme auch die Bauwirtschaft nicht in die Gänge."

Christian Lips, Chefvolkswirt der NordLB:

"Eine mit Donald Trump drohende Rückkehr des Protektionismus würde die Exportnation Deutschland besonders stark belasten, angesichts der grassierenden konjunkturellen und strukturellen Krise ist Deutschland hierfür in einer denkbar schlechten Ausgangssituation. Das Aufgabenheft für die nächste Bundesregierung ist entsprechend prall gefüllt. Aber auch für die EZB rücken die Konjunkturrisiken immer stärker in den Fokus. Selbst ein nochmaliger Anstieg der Inflationsrate im November wird die Währungshüter nicht vom Zinssenkungskurs abbringen."

Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING:

"Mit Blick auf die Zukunft wissen wir aus früheren Erfahrungen, dass der Ifo-Index dazu neigt, kurzfristige Ereignisse mit einer gewissen Verzögerung zu erfassen. In dieser Hinsicht ist das Risiko hoch, dass die Ergebnisse der US-Wahlen und der Zusammenbruch der deutschen Regierung in den nächsten Monaten noch ihre Spuren in der Stimmung hinterlassen werden."/la/jkr/men