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OeNB-Gouverneur Kocher mahnt zur Vorsicht bei nächstem Zinsentscheid

02.09.2025
um 13:17 Uhr

WIEN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Nationalbank-Gouverneur Martin Kocher plädiert dafür, bei der nächsten EZB-Zinsentscheidung im September "eine vorsichtige Politik zu verfolgen". Angesichts bestehender Unsicherheiten durch den Handelskonflikt mit den USA sowie aufgrund der voneinander abweichenden Inflationsraten in der Eurozone sei es wichtig, keinen Zinsschritt zu setzen, "den man möglicherweise dann relativ bald wieder zurücknehmen muss", sagte der Ökonom im Gespräch mit der APA.

Ob er sich bei der anstehenden Ratssitzung am 11. September für eine Beibehaltung des aktuellen Zinssatzes oder eine Senkung einsetzen wird, wollte Kocher gegenüber der APA nicht verraten. Nur so viel: "Es gibt unterschiedliche Meinungen zur aktuellen Zinshöhe. Aber es haben sich einige Mitglieder des Rates für diese Vorsicht ausgesprochen in den nächsten Wochen, und das teile ich durchaus", meinte der frischgebackene Notenbankchef. Ein kurzfristiges "Hin und Her" oder "Auf und Ab" der Zinsen sei jedenfalls nicht der richtige Weg.

EZB legte im Juli Zinspause ein

Nach einer Serie von sieben Zinssenkungen in Folge hatte die EZB im Juli die Pausetaste gedrückt und ihren Einlagensatz bei 2,0 Prozent belassen. Grundsätzlich ist es Ziel der EZB, die Inflationsrate nahe bei 2 Prozent zu halten und damit Preisstabilität zu garantieren. Gleichzeitig soll die aktuell strauchelnde Wirtschaft durch die Zinspolitik nicht abgewürgt werden. Im Euro-Land Österreich selbst ist die Inflation deutlich höher als im Eurozonen-Durchschnitt.

Die Bestimmung des weiteren geldpolitischen Kurses werde stark von den Wirtschaftsdaten aus der Eurozone abhängen, die dieser Tage erwartet werden, so Kocher, der auf ÖVP-Ticket in die Nationalbank kam. Unter Beobachtern gilt eine weitere Zinspause im September als wahrscheinlich.

Würde sich die EZB nur nach Österreich richten, wäre jedenfalls "eine Politik, die nicht zu expansiv ist, hilfreich". Zu bedenken gibt der ehemalige ÖVP-Wirtschafts- und Arbeitsminister allerdings, dass es um die Differenz zwischen der Teuerungsrate in der Alpenrepublik und der Eurozone gehe und es daher weiterführende wirtschaftspolitische Maßnahmen brauche, um die relativ hohe Rate in Österreich zu bekämpfen. Mit geldpolitischen Entscheidungen allein werde sich das nationale Inflationsproblem nicht lösen lassen.

Preisstabilität als "klares Ziel"

Was seinen Zugang zur Geldpolitik betrifft, sei Preisstabilität "das klare Ziel" und daher werde sich auch die bisherige Linie Österreichs unter ihm "nicht großartig ändern", sofern sich die Gesamtlage nicht in eine völlig andere Richtung entwickle. Amtsvorgänger Robert Holzmann, einst mit Unterstützung der FPÖ in die Nationalbank berufen, galt im Rat als "Falke", sprich Anhänger einer restriktiven Geldpolitik mit Fokus auf Inflationsbekämpfung.

Österreich gilt traditionell eher als Verfechter einer solch straffen Geldpolitik. Sich selbst verortet Kocher aber weder im Lager der "Falken", noch in jenem der "Tauben", der Befürworter einer expansiven Geldpolitik mit niedrigen Zinsen und billigem Geld für die Wirtschaft. Die Zuordnung sei überholt und für ihn im Lichte der komplexen Thematik zu vereinfachend, argumentierte der neue Nationalbank-Gouverneur.

Kocher für "konsistente Geldpolitik"

Für Kocher muss Geldpolitik "konsistent und langfristig ausgerichtet sein". Ziel sei es, möglichst datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Für sich ausschließen wolle er bei der Ausübung seines Amts auch nicht, im EZB-Rat eine "Minderheitsmeinung zu vertreten", wenn er es für notwendig erachte. "Wenn man von einer Politik überzeugt ist, muss das auch so sein." Grundsätzlich lege er aber einen hohen Wert auf Einmütigkeit im Gremium, das sei auch für die Wirkung nach außen bedeutsam. Ex-Nationalbankchef Holzmann, der bis Ende August den Spitzenposten als Notenbankchef in Österreich und Mitglied des EZB-Rats bekleidete, hatte bei Zinsentscheidungen mehrfach gegen die Mehrheitsmeinung gestimmt./tpo/bel/APA/jha