Berlin (Reuters) - Wenige Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes gegen Hass-Reden im Internet nimmt die Kritik daran zu.
Wirtschaftsverbände, Oppositionspolitiker und Netzaktivisten kritisierten am Donnerstag, das Gesetz gehe zu weit. Dadurch werde die Meinungsfreiheit bedroht. Bundesjustizminister Heiko Maas widersprach: "Facebook, Twitter und Co. sollten kein Interesse daran haben, dass ihre Plattformen für Straftaten missbraucht werden." Die AfD kündigte an, eine Klage gegen das zum Januar in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu prüfen.
Durch das NetzDG werden soziale Netzwerke verpflichtet, Hinweisen auf rassistische oder andere strafbare Äußerungen nachzugehen. Die Betreiber müssen die Posts oder Videos binnen 24 Stunden löschen, wenn sie sie für verboten halten. Werden strafbare Inhalte nach Hinweisen nicht gelöscht, droht ihnen ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro.
Der Branchenverband Bitkom bezeichnete das NetzDG als verfassungswidrig. Der Zeitdruck bei der Löschung beanstandeter Inhalte und die angedrohten Bußgelder würden dazu führen, dass auch erlaubte Inhalte gelöscht würden, sagte Bitkom-Präsident Bernhard Rohleder. Der Internet-Verband eco erklärte, das Gesetz führe zu einem "Overblocking" von Inhalten. Weder Twitter noch Facebook wollten mitteilen, wie viele Hinweise auf zweifelhafte Inhalte bislang eingegangen sind und in wie vielen Fällen die Posts oder Videos daraufhin gelöscht wurden.
Für Aufregung hat die Löschung eines Flüchtlings-feindlichen Tweets der AfD-Politikerin Beatrix von Storch gesorgt. Die Kölner Polizei zeigte die Politikerin wegen Volksverhetzung an. Twitter sperrte auch einen Tweet des Satire-Magazins "Titanic", in dem die Äußerungen von Storchs aufs Korn genommen wurden.
NETZAKTIVIST KRITISIERT "MEINUNGSMONSTER"
Wer Meinungsfreiheit verteidigen wolle, dürfe nicht tatenlos zusehen, wie der offene Meinungsaustausch durch strafbare Hetze unterbunden werde, sagte SPD-Politiker Maas der "Bild"-Zeitung. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz kritisierte, es sei ein Unding, dass laut Gesetz die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Äußerungen in die Hände der Unternehmen gelegt werde. Zwar seien Gesetze gegen Hass-Botschaften richtig, aber die Umsetzung sei missraten.
Auch die Linkspartei warnte, es werde zu einem "Overblocking" kommen. In einem Beitrag für den "Spiegel-Online" sprach der Netz-Aktivist Sascha Lobo von einem Vorzeigebeispiel der Unausgegorenheit und dem "Maas'schem Meinungsmonster". Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Gauland, warf Maas vor, ein "Anti-Rechtsstaat-Gesetz" geschaffen zu haben. "Wir werden eine Klage gegen das Gesetz prüfen", sagte er Reuters.
Die Unionspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker widersprach dem Eindruck, das NetzDG stelle ein erhebliches finanzielles Risiko für die Konzerne dar. Bußgelder gebe es nur bei systematischen Verstößen. "Einzelfälle, in denen die Beurteilung immer schwierig, strittig oder auch einmal falsch sein kann, reichen für ein Bußgeld nicht." Trotzdem müsse mehr darüber nachgedacht werden, wie Meinungsfreiheit und -vielfalt auf Internetplattformen gesichert werden könne.