Reuters

Goliath mit Handicap - EnBW kämpft um Prokon-Windparks

29.06.2015
um 08:16 Uhr
- von Alexander HübnerFrankfurt (Reuters) - Es ist der klassische Kampf "David gegen Goliath" - und doch wieder nicht. Der drittgrößte deutsche Stromversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW) buhlt gegen Zehntausende Idealisten um den insolventen Windparkbetreiber Prokon. Am Donnerstag haben die 100.000 Gläubiger die Wahl zwischen dem Verkauf an die EnBW und der Gründung einer Genossenschaft, die des Unternehmens aus Itzehoe auf eigene Faust weiterführt. Doch der "Goliath" geht mit einem Handicap in die Schlacht in einer Hamburger Messehalle: Wem Prokon 1000 Euro schuldet oder dafür Genussrechte gekauft hat, bekommt nach den Berechnungen des Insolvenzverwalters bei einer Übernahme durch EnBW weniger zurück als mit der Genossenschaft.Hinter der stecken die "Freunde von Prokon". In dem Verein mit rund 10.000 Mitgliedern haben sich vor allem jene Anleger zusammengeschlossen, die sich von der Idee locken ließen, für die Unternehmensgründer Carsten Rodbertus rund 1,4 Milliarden Euro in Form von "Genussrechten" eingeworben hatte: einem "alternativen Windkraftkonzern" ohne die Stromriesen und ohne Bankkredite. Prokon war in die Pleite geschlittert, weil Rodbertus erwartete Gewinne vorab ausgeschüttet hatte, um seine Renditeversprechen - sechs Prozent und mehr pro Jahr - einhalten zu können. Als immer mehr Anleger ihre Genussrechte zurückgeben wollten, ging Prokon vor eineinhalb Jahren das Geld aus.HERZBLUT UND ENTTÄUSCHUNGRund 36.000 der 75.000 Genussrechtsinhaber - die in Hamburg auch als Gläubiger stimmberechtigt sind - haben laut Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin ihren Beitritt zu dem Verein bereits erklärt. Sie verzichten auf die Erlöse etwa aus dem Verkauf eines Palettenwerks im sächsischen Torgau und von Wäldern in Rumänien, die von Prokon finanziert wurden, und stecken das Geld stattdessen in Genossenschaftsanteile. Das nötige Eigenkapital scheint der damit sicher. Dabei dürfen 12.000 Genussrechts-Anleger gar nicht mitmachen, weil sie maximal 1000 Euro angelegt haben. Zweifelnden oder klammen Anlegern haben die Öko-Bank GLS und der Energieanbieter Naturstrom angeboten, ihnen die Genossenschaftsanteile abzukaufen, nur um eine Übernahme durch EnBW zu verhindern. Gegen so viel Herzblut fällt es dem Karlsruher Stromkonzern schwer, seine Argumente zu platzieren: den Spatz in der Hand zu wählen statt der Taube auf dem Dach. Denn die 550 Millionen Euro, die EnBW bietet, würden bis Ende dieses Jahres ausgezahlt. Ob und wie viel Geld die Genossenschaft wirklich erwirtschaftet und ob sie die 15-jährige Anleihe bedienen und zurückzahlen kann, in die die Genussrechtsinhaber investieren müssen, sei dagegen ungewiss. Die 25.000 anderen Gläubiger - Lieferanten und Mitarbeiter etwa - bekämen nach dem Insolvenzplan in jedem Fall Bares, nach dem Genossenschaftsmodell sogar etwas mehr.Doch ausgerechnet der Insolvenzverwalter lieferte der EnBW eine unverhoffte Argumentationshilfe: Weil sich in Finnland mehr Anbieter als gedacht um staatlich geförderte Windparkprojekte bemühen, seien die Aussichten für Prokon schlechter geworden, erklärte Penzlin und korrigierte die Ausschüttungsquote für die Genossenschaft auf 57,8 Prozent herunter. Das sind zwar immer noch mehr als die 52,2 Prozent beim Verkauf an EnBW. Doch der Versorger warnt: Die Wertberichtigung zeige die Risiken, denen die Genossen ausgesetzt seien. Für den Insolvenzverwalter sind zwei Alternativen für ein Pleite-Unternehmen ein seltener Luxus: "Eine Empfehlung, welcher Insolvenzplan für Sie von Vorteil ist, kann und werde ich nicht abgeben", schrieb er an die Gläubiger. "Ich gehe davon aus, dass beide Insolvenzpläne für eine nachhaltige Sanierung von Prokon (...) und für einen Beitrag zur Energiewende sorgen werden."

EnBW Energie Baden-Württemberg AG

WKN 522000 ISIN DE0005220008