Hamburg (Reuters) - Der Autozulieferer Continental will Konsequenzen aus seiner Verstrickung in die Kriegswirtschaft des Nazi-Regimes zwischen 1933 und 1945 ziehen.
Der Dax-Konzern aus Hannover kündigte an, die Ergebnisse einer an Donnerstag vorgestellten unabhängigen Untersuchung der Firmengeschichte zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur und der Aus- und Fortbildung zu machen. Mit Blick auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen sagte Konzernchef Elmar Degenhart, nicht nur die Politik und jeder Einzelne trage Verantwortung für den Erhalt der Demokratie, sondern auch die Unternehmen. Er regte eine Debatte über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen an. Rassismus sei unter keinen Umständen tolerierbar.
Die 800 Seiten lange Forschungsarbeit zeichnet nach Unternehmensangaben detailliert nach, wie sich Continental zu einem kriegswichtigen Betrieb entwickelte und die Firmenkultur schrittweise deformiert wurde. Conti habe vor dem Krieg zahlreiche Produkte für die nationalsozialistische Freizeit- und Konsumgesellschaft hergestellt, bevor die Produktion mehr und mehr auf Kriegsgüter umgestellt worden sei. Die Zulieferindustrie und mit ihr Continental und die später von den Niedersachsen übernommenen Firmen VDO, Teves, Phoenix und Semperit seien das eigentliche Rückgrat der Rüstungswirtschaft der Nazis gewesen, sagte der Historiker Paul Erker von der Universität München, der die Studie binnen vier Jahren erstellt hat.
IN VERBRECHEN VERSTRICKT
Degenhart sagte, es sei nicht überliefert, ob ein Vorstandsmitglied eines der Arbeitslager besucht habe, in denen die Insassen misshandelt wurden. "Aber die unmenschlichen Bedingungen in den Lagern und an den Arbeitsstätten waren für die Mitglieder des Managements zumindest kein Geheimnis." In einigen Fällen lasse sich auch eine direkte Involvierung belegen. Für ihn sei es unfassbar, wie das Management in die Verbrechen der Nationalsozialisten verstrickt gewesen sei. Laut der Untersuchung setzte Conti im Zweiten Weltkrieg insgesamt rund 10.000 Zwangsarbeiter ein.
Gefragt nach der Verantwortung von Unternehmen in Zeiten von zunehmendem Hass und Rechtsextremismus antwortete Degenhart: "Wir können uns nicht auf die Position zurückziehen, Angelegenheiten und die Vertretung demokratischer Grundprinzipien sind in der Verantwortung der Politik anzusiedeln." Der beste Schutz gegen Radikalisierung sei eine gute Ausbildung der Jugend. "Je besser das Bildungsniveau, desto geringer ist die Gefahr, dass sich in größerem Maße radikale Positionen ausbilden." Hier müsse mehr getan werden. Deutschland liege mit seinen Bildungsinvestitionen im Mittelfeld der OECD. "Wir müssen an der Spitze stehen, das ist nicht akzeptabel", forderte Degenhart.