Washington/Seattle/Chicago (Reuters) - Die beiden tödlichen Abstürze seines Flugzeugmodells 737 MAX kommen den US-Luftfahrtkonzern Boeing noch teurer zu stehen.
Boeing zahlt nach einem Vergleich mit dem US-Justizministerium insgesamt 2,5 Milliarden Dollar, um strafrechtliche Ermittlungen zur Schuld an den Flugzeugunglücken abzuwenden. Bei Flügen von Ethiopian Airlines und der indonesischen Lion Air waren insgesamt 346 Menschen ums Leben gekommen. Als Unglücksursache gelten Probleme mit der Steuerung wegen eines Konstruktionsfehlers. David Burns, Abteilungsleiter im Justizministerium, warf Boeing-Mitarbeitern betrügerisches und irreführendes Verhalten vor. Sie hätten "das Streben nach Gewinn der Ehrlichkeit vorgezogen", indem sie der Luftfahrtbehörde FAA wichtige Informationen über die 737 MAX verheimlichten.
Insgesamt hat das Desaster mit der Boeing 737 MAX den Konzern schon rund 20 Milliarden Dollar gekostet. Mehr als 20 Monate lang durfte weltweit keine Maschine des Flugzeug-Typs abheben, der vorher der größte Verkaufsschlager von Boeing war. Erst nach umfassenden Sicherheitsmaßnahmen und zusätzlichen Schulungen für die Piloten darf die 737 MAX seit November wieder fliegen. Ende Dezember startete American Airlines erstmals wieder einen Passagierflug mit dem Modell.
Die juristischen Ermittlungen hatten 21 Monate gedauert. Nun zahlt Boeing eine Geldstrafe von 244 Millionen Dollar, leistet Entschädigungszahlungen von 1,77 Milliarden Dollar an die Fluggesellschaften und richtet einen 500 Millionen Dollar schweren Fonds für die Absturzopfer und deren Angehörige ein. Ein strafrechtliches Schuldeingeständnis ist damit nicht verbunden. Analysten nannten den Vergleich verkraftbar, so dass die Boeing-Aktie am Freitag kaum belastet werden dürfte. Für die Entschädigung der Kunden habe der Konzern bereits Rückstellungen gebildet.
Politiker und Vertreter der Opfer zeigten sich enttäuscht. Die Vergleichssume sei nicht mehr als "ein Klaps auf die Finger und eine Beleidigung für die Opfer, die wegen unternehmerischer Gier gestorben" seien, sagte Peter DeFazio, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Repräsentantenhaus, das die Abstürze ausführlich untersucht hatte. Boeing hatte laut gerichtlicher Unterlagen zugegeben, dass zwei seiner Ingenieure die FAA über das Steuerungssystem MCAS getäuscht hätten, das die Abstürze auslöste. Die Geldstrafe entspricht dem Betrag, den der Konzern damit eingespart habe, dass er auf Pilotenschulungen für das MCAS am Flugsimulator verzichtet hatte.
Vorstandschef Dave Calhoun äußerte sich in einem Brief an die Belegschaft: Der Vergleich "bestätigt angemessen, wie wir unseren Werten und Erwartungen nicht gerecht geworden sind". Michael Stumo, dessen Tochter bei den Absturz in Äthiopien 2019 ums Leben gekommen war, kritisierte die Einigung: "Der Vergleich ist eher Schutz für Boeing als Gerechtigkeit." Anwälte der Familien der Opfer sehen sich darin bestärkt, Zivilklagen am Boeing-Sitz in Chicago anzustrengen. Die meisten Klagen rund um den Lion-Air-Absturz in Indonesien 2018 hat Boeing bereits beigelegt.