Reuters

"Super League" vor dem Aus - Auch Juventus gibt auf

21.04.2021
um 15:27 Uhr

- von Simon Evans und Alexander Hübner

Manchester (Reuters) - Massiver Druck von Fußball-Fans und aus der Politik hat das umstrittene Milliarden-Projekt einer europäischen "Super League" binnen 48 Stunden zu Fall gebracht.

Nach dem Rückzug der sechs englischen Teilnehmer räumte der Präsident des italienischen Meisters Juventus Turin, Andrea Agnelli, am Mittwoch ein, dass die "Super League" der 20 besten Klubs aus Europa keine Aussicht auf Verwirklichung mehr habe. "Ich bleibe überzeugt von der Schönheit dieses Projekts", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Aber es lasse sich jetzt nicht mehr umsetzen. Agnelli war einer der Treiber der "Super League" und hatte von einem "Blutpakt" der zwölf Gründungsteilnehmer gesprochen. Sie sollte der Champions League des europäischen Fußballverbandes UEFA Konkurrenz machen.

Unter dem Eindruck von heftigen Fan-Protesten und Widerstand von Spielern, Trainern und aus der Politik hatten Manchester City, Manchester United, Liverpool, Arsenal, Tottenham Hotspur und Chelsea in der Nacht zum Mittwoch ihren Ausstieg erklärt. Die verbliebenen sechs Klubs aus Italien und Spanien trafen sich zu einer Krisensitzung: "Unter den gegenwärtigen Umständen werden wir (...) das Projekt umgestalten", erklärten sie danach. Die englischen Klubs hätten dem öffentlichen Druck nachgegeben.

Doch auch die italienischen Rivalen AC und Inter Mailand sowie Atletico Madrid machten umgehend einen Rückzieher. Die Voraussetzungen, unter denen man dem Projekt beigetreten sei, existierten nicht mehr, erklärte der Rivale von Real Madrid. "Der Klub hat verstanden, dass sportliche Verdienste Vorrang haben vor allen anderen Kriterien." Die Kritik an der "Super League" hatte sich vor allem daran entzündet, dass 15 der 20 Mannschaften unabhängig vom sportlichen Abschneiden daran teilnehmen sollten. Nur fünf Plätze sollten für jede Saison neu vergeben werden. Der deutsche Rekordmeister Bayern München und Borussia Dortmund waren von den "Super League"-Gründern als feste Mitglieder umworben worden, hatten aber umgehend abgewinkt.

"HABEN DEN FUSSBALL GERETTET"

UEFA-Präsident Aleksander Ceferin hatte Agnelli Wortbruch vorgeworfen, weil er noch zwei Tage vorher solche Pläne geleugnet habe. In einem am Mittwochmorgen veröffentlichten Interview mit der Zeitung "La Repubblica" hatte der Juve-Präsident immer noch an der "Super League" festgehalten, bevor er Stunden später einknickte, Ceferin begrüßte die Entscheidung. Die Vereine hätten einen großen Fehler gemacht. "Jetzt ist wichtig, dass wir (...) die Einheit dieses Sports wieder herstellen und gemeinsam nach vorn schauen." Kritiker warfen den "Super League"-Vereinen vor, sie hätten mit dem Milliarden-Projekt nur einen Ausweg aus ihren finanziellen Nöten gesucht, nachdem sie über Jahre zu viel Geld ausgegeben hätten. "Wir werden weiter hart daran arbeiten, ein nachhaltiges Modell für den Fußball zu finden", erklärte der AC Mailand. Für die "Super League" sollten die Gründungsmitglieder mit insgesamt 3,5 Milliarden Euro gelockt werden.

In Großbritannien feierten Fans das Aus. Vor dem Premier-League-Spiel des FC Chelsea am Mittwochabend gegen Brighton hatten wütende Anhänger vor dem Stadion protestiert. Als die Nachricht vom Rückzug des Vereins durchdrang, skandierten sie: "Wir haben den Fußball gerettet." Lokalrivale Arsenal London entschuldigte sich ausdrücklich bei den Anhängern. "Es war nie unsere Absicht, so viel Kummer zu bereiten. Wir haben einen Fehler gemacht, und wir entschuldigen uns." Der Eigentümer des FC Liverpool, John Henry, sagte, er allein sei verantwortlich für den "unnötigen Ärger" der vergangenen Tage: "Das werde ich nie vergessen. Und zeigt, welche Macht die Fans heute haben und richtigerweise weiter haben werden."

"SIE WOLLTEN IHRE SEELE VERKAUFEN"

Prominente Trainer wie Jürgen Klopp (Liverpool) und Pep Guardiola (Manchester City) hatten die Pläne offen verurteilt. Tim Clark, der Vorstandschef der Airline Emirates, die Arsenal, Real Madrid und den AC Mailand sponsert, zeigte sich überrascht von der Wut der Fans: "Ich habe den Widerstand unterschätzt." Die Boulevardzeitung "Daily Mail" titelte am Mittwoch "Niederlage der Gier" und schrieb von einem "Eigentor".

Noch am Dienstag hatte die Super League vor einem Gericht in Madrid eine einstweilige Verfügung erwirkt, wonach die UEFA die Pläne nicht torpedieren dürfe. Doch der britische Premierminister Boris Johnson drohte der Super League mit dem Kartellrecht. Er bezeichnete das Aus für das Projekt am Mittwoch als richtig. "Wir müssen unseren verehrten Nationalsport weiter beschützen." Der ehemalige Liverpool-Spieler und -trainer Graeme Souness sagte voraus, die Fans würden den Verantwortlichen trotz der raschen Kehrtwende nicht verzeihen: "Sie wollten ihre Seele für schnelles Geld verkaufen. Unsere Anhänger werden ihnen nicht vergeben. Wir sind nicht Amerika."

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