München (Reuters) - Der weltgrößte Prothesenhersteller Ottobock schiebt seinen Börsengang auf die lange Bank und tauscht die komplette Unternehmensführung aus.
Grundsätzlich bleibe der Gang an den Kapitalmarkt eine Möglichkeit für das Familienunternehmen aus dem niedersächsischen Duderstadt, sagte Mehrheitseigentümer und Verwaltungsratschef Hans Georg Näder. "Aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage und des davon beeinflussten Kapitalmarktumfeldes ist ein Börsengang aber für uns bis auf weiteres nicht erstrebenswert." Näder musste Insidern zufolge befürchten, dass Ottobock nicht die angepeilte Bewertung von fünf bis sechs Milliarden Euro erreichen würde, nachdem die Aktienkurse anderer Medizintechnik-Unternehmen zuletzt in die Knie gegangen waren.
Vorstandschef Philipp Schulte-Noelle und Finanzchefin Kathrin Dahnke hatten seit Monaten auf den zuletzt für den Herbst anvisierten Börsengang hingearbeitet. Sie verlassen das Unternehmen. Dahnke hatte noch in der vergangenen Woche gesagt, Ottobock sei mit den Börsenplänen auf Kurs. Der Jahresabschluss für 2021 war zum ersten Mal nach dem internationalen IFRS-Bilanzierungsstandard aufgestellt worden - eine Voraussetzung für einen Gang an den Kapitalmarkt. Vor einem neuen Anlauf will Näder den Schwerpunkt wieder mehr auf interne Themen legen, um die Bewertung nach oben zu treiben - mit einem neuen Führungsteam. "Wir werden unseren Fokus noch konsequenter auf das operative Geschäft, die starke Kundennachfrage und die nachhaltige Steigerung unseres erfolgreichen Wachstums setzen", sagte der Verwaltungsratschef in der Nacht zum Donnerstag.
Ein Nachfolger für Schulte-Noelle wird noch gesucht. Bis dahin übernimmt Vertriebschef Oliver Jakobi den Posten. Als neuen Finanzchef hatte Ottobock schon am Mittwoch Arne Kreitz installiert. Der 42-Jährige ist seit 2018 in der erweiterten Geschäftsführung für die Strategie und für Übernahmen (M&A) zuständig. Der schwedische Finanzinvestor EQT ist seit 2017 mit 20 Prozent an Ottobock beteiligt. EQT-Manager Marcus Brennecke stellte sich hinter den Kurswechsel, der dem Investor zunächst die Möglichkeit verbaut, den Ausstieg in Angriff zu nehmen. Damit sich die Investition lohnt, muss Ottobock später mehr Rendite liefern.