München/New York (Reuters) - Der Gesundheitsschuh-Konzern Birkenstock ist bei seinem Börsendebüt an der Wall Street auf dem falschen Fuß erwischt worden.
Der Schlusskurs wurde mit 40,20 Dollar angezeigt, 12,6 Prozent unter dem Ausgabepreis von 46 Dollar. Der erste Kurs war erst vier Stunden nach Eröffnung der US-Börsen mit 41 Dollar festgelegt worden. Dabei hatten das Traditionsunternehmen aus Linz am Rhein und seine Banker den Preis vermeintlich vorsichtig in der Mitte der Spanne festgesetzt, um eine Enttäuschung zu vermeiden. Vier Stunden zuvor hatte Vorstandschef Oliver Reichert noch gut gelaunt von der Empore in den Handelssaal der New Yorker Börse gewinkt. Umstehende schwenkten ausgelassen die ikonischen Sandalen des Traditions-Unternehmens, dessen Wurzeln auf eine 1774 gegründete Schuhmacherei im hessischen Langen-Bergheim zurückreichen.
Sechs Generationen lang war das Unternehmen in Familienhand, vor zwei Jahren übernahm der US-Finanzinvestor L Catterton dann für eine Bewertung von rund 4,3 Milliarden Dollar die Mehrheit. Für ihn ist der Börsengang ein gutes Geschäft: Zum Ausgabepreis wurde Birkenstock mit 8,64 Milliarden Dollar bewertet - also dem Doppelten des Einstiegspreises. Die Papiere eingerechnet, die Manager und Mitarbeiter aus einem Beteiligungsprogramm erhalten sollen, sind es sogar 9,3 Milliarden.
Vorstandschef Reichert, der 2013 als erster nicht zur Familie gehörender Manager an die Firmenspitze rückte, hat den ehemaligen "Öko-Sandalen" ein hippes Image verpasst, etwa durch Partnerschaften mit den Luxus-Marken Dior und Manolo Blahnik. In den ersten neun Monaten (Ende Juni) des Geschäftsjahres 2022/23 schnellte der Umsatz um 21 Prozent auf 1,12 Milliarden Euro, der Nettogewinn fiel aber wegen Währungseffekten um 20 Prozent auf 103,3 Millionen. Für Aufsehen sorgte kurz vor dem Börsengang, dass ausgerechnet die Model-Ikone "Barbie" in der Schlussszene des gleichnamigen Kinofilms rosa Birkenstocks trug.
ALLES HÄNGT AM WACHSTUM
Wie sich die Aktie in den nächsten Wochen entwickle, hänge aber davon ab, ob Birkenstock die Wachstumserwartungen erfüllen könne, sagte Javier Gonzalez Lastra, Investment Partner bei Tema ETFs. Jeder Kunde in den USA hat schon 3,6 Paar der Korksandalen zu Hause. Amerika ist für Birkenstock der größte Markt - und zugleich der größte Wachstumsmarkt. 54 Prozent des Umsatzes werden dort erwirtschaftet, mit steigender Tendenz. Das ist Bankern zufolge auch der wichtigste Grund für die Wahl von New York anstelle von Frankfurt als Börsenplatz - obschon Birkenstock zu 95 Prozent in Deutschland produziert.
Eine Welle deutscher Unternehmen, die in der Hoffnung auf bessere Chancen an die Wall Street streben, erwarten Investmentbanker nicht. "Es gilt weiterhin der Grundsatz, dass Emittenten in ihrem Heimatmarkt an die Börse gehen - dort, wo sie den Großteil ihrer Umsätze generieren beziehungsweise das Haupt-Kundengeschäft haben", sagte Christoph Stanger von der Investmentbank Goldman Sachs. Ausnahmen könne es geben, etwa wenn die meisten Konkurrenten anderswo gelistet sind oder die meisten Analysten dorthin blicken. "Dies ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen", so Stanger.
Birkenstock und L Catterton nehmen mit der Emission zusammen mindestens 1,48 Milliarden Dollar ein. Birkenstock bekommt 495 Millionen Dollar, die überwiegend in den Schuldenabbau fließen sollen. Für L Catterton bleiben mindestens 989 Millionen Dollar. Danach hält der Investor noch immer mehr als 80 Prozent der Anteile. Birkenstock und die begleitenden Investmentbanken Goldman Sachs, JP Morgan und Morgan Stanley hatten die Emission gut abgesichert. Der Großaktionär von LVMH, Bernard Arnault, einer der reichsten Männer der Welt, stieg direkt ein, nachdem er bereits an L Catterton beteiligt ist. Er hatte laut Börsenprospekt zugesagt, allein Aktien für 325 Millionen Dollar zu kaufen. Der norwegische Staatsfonds und der US-Fonds Durable Capital wollten Aktien für 300 Millionen Dollar zeichnen.
(Bericht von Alexander Hübner, aktualisiert von Birgit Mittwollen, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)