Frankfurt (Reuters) - Bei vielen Menschen macht sich mit dem Ende der Corona-Pandemie Impfmüdigkeit breit.
Den Nachfrageeinbruch bei Covid-19-Impfstoffen bekommen nun die Hersteller BioNTech und Pfizer stärker zu spüren als gedacht. Nachdem der US-Partner Pfizer vor wenigen Tagen eine drastische Senkung seiner Umsatz- und Gewinnziele sowie milliardenschwere Abschreibungen ankündigte, prüft auch Biontech die Auswirkungen auf sein Geschäft. Bei dem Mainzer Biotechunternehmen drohen hohe Abschreibungen von bis zu 900 Millionen Euro im dritten Quartal. "Wir befinden uns gerade mitten in der Covid-Müdigkeit, in der jeder die Krankheit vergessen will", sagte Pfizer-Chef Albert Bourla am Montag.
Biontech wollte sich nicht zu seiner Jahresprognose äußern, die bislang für 2023 einen Umsatz mit Covid-Impfstoffen von rund fünf (2022: 17,3) Milliarden Euro vorsieht - im ersten Halbjahr waren es erst 1,4 Milliarden. Doch das Unternehmen erwartet bei den Impfungen bereits seit längerem eine saisonale Nachfrage, weshalb Biontech die entsprechenden Umsätze für die zweite Jahreshälfte in Aussicht gestellt hatte. Die drohenden Abschreibungen entsprechen nach Angaben des Unternehmens der Hälfte des Bruttogewinnanteils aus der Vereinbarung mit Pfizer. "Jede solcher Abschreibungen wird die Umsatzerlöse, die das Unternehmen für 2023 ausweisen würde, reduzieren."
Seit rund einem Monat steht der neue, an die Omikron-Untervariante XBB.1.5 angepasste Impfstoff von Biontech und Pfizer für Impfungen zur Verfügung. Pfizer-Chef Bourla geht davon aus, dass sich etwa 17 Prozent der US-Bevölkerung während der laufenden Kampagne mit dem aktualisiertem Booster impfen lassen werden. Das entspricht zwar dem Niveau des Vorjahres, liegt aber weit unter den Raten, die bei der breiten Einführung der Impfstoffe im Frühjahr 2021 erzielt wurden. Den Herstellern hatte das in der Pandemie Milliardenumsätze beschert.
Die mauen Aussichten setzten die Aktien von Biontech zu Wochenbeginn unter Druck. Die Papiere fielen an der Börse in Frankfurt um bis zu elf Prozent. Der Konkurrent Moderna verlor an der Wall Street fast drei Prozent, obwohl der US-Biotechkonzern die Umsatzerwartungen für seinen Covid-Impfstoff bekräftigte. Pfizer konnten zwar zulegen, sind aber in diesem Jahr bereits um rund 37 Prozent gesunken.
Das jähe Ende des Corona-Booms machte sich bei den Impfstoffherstellern schon im zweiten Quartal bemerkbar. Biontech schrieb deshalb einen Nettoverlust von gut 190 Millionen Euro nach einem Gewinn von 1,67 Milliarden vor Jahresfrist und verwies bereits im August auf Abschreibungen bei seinem Partner Pfizer auf Lagerbestände des Covid-Impfstoffs Comirnaty, die abgelaufen sind oder kurz davor waren, das Haltbarkeitsdatum zu überschreiten. Die Zahlen zum dritten Quartal will Biontech am 6. November veröffentlichen.
Pfizer hatte am Freitag seine Jahresziele massiv gesenkt, da das Geschäft mit seinem Covid-19-Medikament Paxlovid und dem gemeinsam mit Biontech entwickelten Impfstoff Comirnaty mit Ende der Corona-Pandemie schwächer als erwartet verläuft. Die Abschreibungen und Belastungen belaufen sich deshalb im dritten Quartal auf insgesamt 5,5 Milliarden Dollar, wovon 4,6 Milliarden auf Paxlovid und der Rest auf Comirnaty entfallen. Die Abschreibungen betreffen nach Angaben von Pfizer keine Dosen des frisch aktualisierten Vakzins, sondern hauptsächlich Rohstoffe wie Lipide für die Impfstoffformulierung, die in der Pandemie gekauft worden, sowie Dosen, die an andere Varianten als XBB.1.5 angepasst wurden.
PFIZER REAGIERT AUF ENDE DES CORONA-BOOMS MIT SPARPROGRAMM
Für 2023 rechnet Pfizer nun mit einem Umsatz von 58 bis 61 statt von 67 bis 70 Milliarden Dollar sowie einem Gewinn je Aktie von 1,45 bis 1,65 (bisher: 3,25 bis 3,45) Dollar. Die US-Regierung gibt an Pfizer Notfallbestände von rund 7,9 Millionen Behandlungseinheiten Paxlovid zurück, was für den Konzern Umsatzeinbußen von 4,2 Milliarden Dollar zur Folge hat. Seine Umsatzerwartungen für Paxlovid für dieses Jahr senkte Pfizer insgesamt um etwa sieben Milliarden Dollar und die für Comirnaty um rund zwei Milliarden - wegen niedrigerer als gedachter Impfquoten. Im vergangenen Jahr fuhr Pfizer mit beiden Produkten noch mehr als 56 Milliarden Dollar Umsatz ein.
Der Konzern kündigte ein Kostensenkungsprogramm an, das bis Ende 2024 für Einsparungen von mindestens 3,5 Milliarden Dollar jährlich sorgen soll. Dazu soll auch ein Stellenabbau beitragen, Pfizer ließ allerdings noch offen, wie viele Stellen in welchen Bereichen gestrichen werden sollen.
(Bericht von Patricia Weiß. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)