- von Klaus Lauer
Berlin/Dublin (Reuters) - Europas größter Billigflieger Ryanair sieht sich durch hohe Standortkosten in Deutschland am Wachstum gehindert.
"Wir legen nur an den Regionalflughäfen zu, die uns wettbewerbsfähige Kosten anbieten", sagte Airline-Chef Michael O'Leary am Donnerstag im Interview mit Reuters TV in Berlin. Dies gelte etwa für Memmingen, Baden-Baden, Nürnberg oder Hahn in Rheinland-Pfalz. Die Bundesregierung müsse die Kosten insgesamt drücken, anstatt nun wie geplant die Ticketsteuer zu erhöhen. "Die deutschen Konsumenten leiden unter den höchsten Flugkosten - deshalb fliegen sie auch nicht." Dies bremse auch den Tourismus und die Wirtschaft in Deutschland.
Ryanair hingegen könnte in den nächsten sechs Jahren sein Verkehrsaufkommen von rund 16 auf 34 Millionen Passagiere etwa verdoppeln, wenn Deutschland wettbewerbsfähige Steuern und Abgaben sowie Flughafengebühren einführen würde, betonte O'Leary. "Wir könnten mehr machen." Derzeit wachse Ryanair um rund vier bis fünf Prozent jährlich, während man in Polen zweistellig zulege und in Italien sogar um rund 25 Prozent. In Deutschland betreibe Ryanair 14 Flugzeuge in sieben Basen und sei nach Lufthansa die Nummer Zwei mit einem Marktanteil von neun Prozent.
RYANAIR - KUNDEN NICHT IN SORGE WEGEN BOEING-ZWISCHENFALL
Nach dem Zwischenfall mit einem Boeing-Flugzeug vom Typ 737 Max sieht O'Leary derzeit keine Auswirkungen auf die eigenen Kunden. "Wir habe keine Anzeichen von Sorgen bei den Passagieren", sagte der Manager. "Nicht bei einem einzigen Passagier." Das MAX 9-Problem sei zwar insgesamt besorgniserregend, aber das MAX 8-Modell, das Ryanair fliege, und das bestellte MAX 10-Modell seien wohl nicht betroffen. Dies hätten lange Telefongespräche am Wochenende mit amerikanischen, europäischen und irischen Regulierungsbehörden ergeben.
Der US-Flugzeugbauer Boeing hat nach der Notlandung einer 737 MAX wegen einer im Flug herausgebrochenen Kabinenwand jüngst erstmals Fehler eingeräumt. Die US-Luftfahrtbehörde FAA verhängte nach dem Vorfall ein Flugverbot für 171 Flugzeuge dieses Typs, der in Europa nicht im Einsatz ist. Das Boeing-Management steht seitdem unter großem Rechtfertigungsdruck. O'Leary sagte, der Flugzeughersteller habe zwar in den vergangenen zwei Jahren "enorme Fortschritte" bei der Produktionsqualität gemacht. "Aber sie sind noch nicht am Ziel".
"Wir selbst haben bei Flugzeugauslieferungen kleinere Probleme festgestellt, die bei einem Weltklasse-Hersteller wie Boeing nicht vorkommen sollten", betonte der Manager. "Ich denke, dass Boeing bei der Qualitätskontrolle noch mehr tun muss." O'Leary fügte hinzu, dass er Boeing bei künftigen Aufträgen zu 100 Prozent treu bleibe und großes Vertrauen in Boeing-Chef Dave Calhoun und Finanzchef Brian West habe. Ryanair habe aber nach wie vor Bedenken hinsichtlich des täglichen Produktionsmanagements bei Boeing in Seattle und beim Zulieferer Spirit AeroSystems in Wichita. "Sie haben das Management in Wichita ausgetauscht, aber ich denke, es muss noch mehr für das Tagesgeschäft in Seattle getan werden", sagte der Ire.
(Weitere Reporter: Padraic Halpin in Dublin und Martin Schlicht in Berlin. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)