Reuters

Unternehmen setzen wegen Lage im Roten Meer vermehrt auf Luftfracht

15.01.2024
um 16:22 Uhr

Zürich/Düsseldorf (Reuters) - Angesichts der Angriffe der Huthis auf Handelsschiffe im Roten Meer registrieren Logistikkonzerne eine steigende Nachfrage nach Luftfracht.

Die ersten Kunden hätten bereits auf eine Kombination aus Seefracht und Luftfracht umgestellt, sagte der beim Logistikkonzern Kühne+Nagel für die Luftfracht zuständige Yngve Ruud zur Nachrichtenagentur Reuters. So würden Güter, die per Container aus Asien ankämen, in Dubai oder Los Angeles aus Schiffen in Flugzeuge umgeladen. Ähnlich äußerte sich DHL. Einige Kunden leiteten dringende Sendungen bereits auf Luftfracht um, sagte ein Sprecher der Post-Tochter.

Diese Verlagerung könnte in den kommenden Wochen noch Fahrt aufnehmen, prognostizierte Ruud. "Wenn sich die Lage in Suez in den nächsten zwei Wochen nicht normalisiert, rechnen wir mit Unterbrechungen der Lieferkette aufgrund längerer Transitzeiten und eines Mangels an Containern, die nach Asien zurückkehren."

Über das Rote Meer verläuft einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtswege, der Asien und Europa verbindet. Wegen der wiederholten Angriffe der Huthis auf Frachtschiffe meiden viele Reedereien wie Hapag-Lloyd und der dänische Rivale Maersk das Rote Meer und den Suezkanal, durch den etwa 15 Prozent des Welthandels gehen. Stattdessen nehmen die Frachter die Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas. Damit dauert eine Fahrt statt etwa 35 Tagen nun zwischen 40 und 50 Tagen. Mehrere Unternehmen wie Volvo oder Tesla mussten deshalb bereits ihre Produktion unterbrechen. Hapag-Lloyd stuft Fahrten durch das Rote Meer weiter als zu gefährlich ein, wie Deutschlands größte Container-Reederei am Montag mitteilte.

Wenn die derzeitige Situation anhalte, werde Luftfracht an Bedeutung gewinnen, erklärte Ruud. "Wir sprechen bereits mit vielen Kunden über eine Erhöhung der Luftfrachtkapazität", so der Kühne+Nagel-Manager. "Wenn ich mir meinen Kundenstamm ansehe, haben wir wahrscheinlich 20 bis 30 Prozent mehr Gespräche und Angebotsanfragen als sonst im Januar." Auch der deutsche Logistiker Schenker erklärte am Freitag, dass sich das Unternehmen zusätzlichen Laderaum in der Luftfracht gesichert habe, um die erwartete Verlagerung von Seefracht auf Luftfracht bedienen zu können. Einen massiven und nachhaltigen Trend in Richtung Luftfracht registriere DHL aber aktuell nicht, fügte ein Sprecher hinzu. Dies könne sich aber angesichts der volatilen Lage aber auch ändern.

Kühne+Nagel arbeitet ähnlich wie ein Reisebüro bei Personentransporten und organisiert für Unternehmenskunden Schiffstransporte über Maersk, Hapag-Lloyd oder MSC und Lufttransporte über spezialisierte Firmen wie Cargolux und Atlas Air oder auch Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Emirates. Luftfracht ist dabei um ein Vielfaches teurer als Seefracht.

Ruud zufolge gehören üblicherweise Automobil- und Konsumelektronik-Hersteller zu den Firmen, die am schnellsten von See- auf Luftfracht umstellen. Branchen mit geringeren Lagerbeständen stünden vor größeren Herausforderungen als solche mit höheren Beständen, erklärte DHL. Eine wichtige Rolle spiele auch das chinesische Neujahrsfest, das am 10. Februar beginnt und traditionell 15 Tage dauert. Ruud zufolge versuchten die Firmen, ihre Waren noch vor dem chinesischen Neujahrsfest außer Landes zu bringen und sicherzustellen, dass ihre Lieferkette funktioniere, wenn das Fest vorbei sei und China seine Arbeit wieder aufnehme.

(Bericht von Oliver Hirt und Matthias Inverardi; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Kühne & Nagel International AG

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LUFTHANSA AG VNA O.N.

WKN 823212 ISIN DE0008232125