Frankfurt (Reuters) - Eine schwächere Entwicklung in Deutschland hat die Erholung des europäischen Neuwagen-Marktes im vergangenen Jahr gedämpft.
In der Europäischen Union (EU) kamen 2023 mit 10,5 Millionen Pkw zwar knapp 14 Prozent mehr Neuwagen auf die Straße als im Vorjahr, wie der Herstellerverband ACEA am Donnerstag mitteilte. Allerdings ist das Vorkrisenniveau damit immer noch in weiter Ferne, und eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht. "Unterm Strich dürfte 2024 für die Autobranche ein schwieriges Jahr werden", sagte Constantin M. Gall, Experte bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Die sich abzeichnende Rabattschlacht, die zunehmend auch das Elektrosegment erreiche, werde obendrein die Marge der Autobauer drücken. "Die gute Nachricht für potenzielle Autokäufer lautet allerdings: Neuwagen werden wieder billiger, aus dem Verkäufermarkt ist ein Käufermarkt geworden."
Nach ACEA-Angaben legten die großen Märkte Frankreich, Italien und Spanien 2023 um 16 bis 19 Prozent zu, während das Schwergewicht Deutschland nur ein Plus von 7,3 Prozent verzeichnete. Das Rekordniveau von 2019, dem Jahr vor der Corona-Pandemie, als 15,3 Millionen Autos neu registriert wurden, ist noch weit entfernt. Zudem wurde im Dezember das erste Mal seit 16 Monaten ein Rückgang verbucht; insgesamt wurden mit 867.052 Fahrzeugen 3,3 Prozent weniger verkauft als vor Jahresfrist. Dabei spielte vor allem ein deutliches Minus in Deutschland eine Rolle: In der Bundesrepublik wurden fast ein Viertel weniger Fahrzeuge abgesetzt.
STOPP DER UMWELTPRÄMIE BREMST DEUTSCHLANDS E-AUTOMARKT AUS
Kapriolen um die Elektroauto-Förderungen waren der Grund für das schwache Abschneiden des deutschen Marktes. Durch den Wegfall der Subventionen für gewerbliche Kunden brachen im Dezember die Neuzulassungen von batterieelektrischen Autos um 47,6 Prozent ein. Das lag auch an einem Basiseffekt, hatten sich vor Jahresfrist doch viele Käufer in Erwartung sinkender Förderung noch E-Autos angeschafft. Auch Plug-in-Hybride litten unter dem Entzug der staatlichen Förderung. "Das Aus für die Umweltprämie war ein harter Schlag für den deutschen Elektroautomarkt und wird zu einer schwächeren Nachfrage führen", sagte EY-Experte Gall. An anderen europäischen Märkten lasse sich beobachten, dass eine staatliche Förderung einen erheblichen Beitrag zum Markthochlauf leiste - wo nicht gefördert werde, bleibe die Nachfrage überschaubar. "Das Ziel, bis 2030 etwa 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen zu bringen, ist nun in weite Ferne gerückt - angesichts der neuen Rahmenbedingungen dürften viele Neuwagenkäufer nun doch noch einmal zum Verbrenner greifen anstatt sich für ein Elektroauto zu entscheiden."
Die Zahl neuer E-Autos stieg in der EU um 37 Prozent auf 1,54 Millionen. Der Marktanteil kletterte auf 14,6 Prozent. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Ländern groß: Während in Skandinavien mehr als jeder dritte Neuwagen elektrisch angetrieben wird, ist der Anteil in Osteuropa marginal. "Die ambitionierten EU-Pläne für die Elektromobilität, denen zufolge ab 2035 keine Verbrenner mehr neu zugelassen werden sollen, sind in Teilen Europas so weit von der heutigen Realität entfernt, dass man sich große Sorgen um ihre Realisierbarkeit machen muss", sagte Gall. Das stelle die Industrie vor Schwierigkeiten, die auf klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit angewiesen sei.
Bei den Neuwagen entfällt auf Benziner der größte Anteil von 35,3 Prozent. Ihr Absatz legte im vergangenen Jahr um gut zehn Prozent auf 3,7 Millionen Einheiten zu. Zweitgrößte Antriebsart sind integrierte Hybride (25,8 Prozent), während extern aufladbare Plug-in-Hybride nur 7,7 Prozent ausmachen. Diesel-Fahrzeuge sind immer weniger gefragt, ihr Marktanteil schrumpfte um fast drei Prozentpunkte auf 13,6 Prozent. Unter den Autokonzernen baute Volkswagen 2023 seine Marktführerschaft etwas aus auf 26 Prozent Marktanteil, gefolgt von der Opel-Mutter Stellantis (18 Prozent) und der Renault Group (elf Prozent).
(Bericht von Ilona Wissenbach und Christina Amann, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)