Reuters

Westen hebt nach Atom-Einigung Sanktionen gegen Iran auf

17.01.2016
um 09:56 Uhr

- von Lesley Wroughton und Yeganeh Torbati

Wien (Reuters) - Rund sechs Monate nach dem Atomabkommen mit dem Iran hebt der Westen seine langjährigen Sanktionen gegen den Iran auf.

US-Außenminister John Kerry und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärten am Samstag, entsprechende Maßnahmen seien in die Wege geleitet. Unmittelbar zuvor hatte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien dem Iran bescheinigt, alle Verpflichtungen des Abkommens vom vergangenen Juli erfüllt zu haben. Dies war Voraussetzung für ein Ende der Strafmaßnahmen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von "einem historischen Erfolg der Diplomatie". Der Iran kann nach Jahren der wirtschaftlichen Isolation nun unter anderem wieder Öl am Weltmarkt verkaufen und Flughäfen in der EU anfliegen. Der Gegner Israels gewinnt zudem politisch weiter an Einfluss.

Steinmeier sprach von einem großen Moment. "In einer Region, die von Krisen und Konflikten wahrlich heimgesucht ist, können ganz viele heute ein wenig aufatmen", sagte er. Damit sei ein iranischer Weg zu Atomwaffen verlässlich und nachprüfbar verschlossen. Zudem mache der diplomatische Erfolg Hoffnung, dass es gelinge, auch andere Konflikte in der Region wie den Bürgerkrieg in Syrien zu entschärfen. Der britische Außenminister Philip Hammond sagte, dank jahrelanger Geduld und hartnäckiger Diplomatie werde mit dem Iran-Abkommen der Nahe Osten und die Welt insgesamt sicherer. Sein französischer Kollege Laurent Fabius begrüßte die Entwicklung ebenfalls, mahnte aber zur Vorsicht. Frankreich werde darauf achten, dass der Iran das Abkommen auch weiterhin respektiere und umsetze. Irans Präsident Hassan Ruhani sprach von einem glorreichen Sieg für seine Nation.

Der Atomstreit hatte lange Sorgen vor einer militärischen Eskalation zwischen dem Iran und dem Westen geschürt. Die Islamische Republik wurde verdächtigt, unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms an Atomwaffen zu arbeiten. Die Führung in Teheran - zeitweise angeführt von dem Hardliner Mahmud Ahmadinedschad, zuletzt aber unter dem moderaten Ruhani - wies dies stets zurück.

IRANISCHE FÜHRUNG STAND AUCH INNENPOLITISCH UNTER DRUCK

Mitte Juli gelang nach zahlreichen Rückschlägen schließlich eine Einigung zwischen dem Iran und den fünf UN-Veto-Mächten sowie Deutschland. Sie sieht vor, dass der Iran seine atomaren Aktivitäten auf lange Zeit einschränkt. Im Gegenzug sollen Sanktionen der USA, der EU und der Vereinten Nationen (UN) gegen den einst fünftgrößten Ölförderer der Welt enden. [nL5N0ZU27B] Die iranische Führung stand auch innenpolitisch unter Druck: Viele der rund 80 Millionen Iraner haben unter schwer unter den Strafmaßnahmen gelitten.

Die Einigung gilt als einer der größten außenpolitischen Erfolge von US-Präsident Barack Obama, auch vor dem Hintergrund, dass das Verhältnis beider Staaten seit der Islamischen Revolution im Iran 1979 von erbitterter Feindschaft geprägt war. Zusätzliche Dramaturgie verlieh dem historischen Schritt nun, dass nur Stunden vor Bekanntgabe der Aufhebung der Sanktionen die USA und der Iran zudem einen Gefangenenaustausch vereinbarten. Doch es gibt auch scharfe Kritik an dem Abkommen, etwa aus Israel oder von vielen US-Republikanern. Sie fürchten, dass der Iran nun faktisch leichter an Atomwaffen gelangen könnte. Zudem drohten US-Politiker wegen iranischer Raketentests zuletzt mit neuen Sanktionen.

Im Nahen Osten dürfte sich das Machtgefüge verschieben, da der schiitische Iran als Erzrivale des sunnitischen US-Verbündeten und weltgrößten Erdölexporteurs Saudi-Arabien gestärkt wird. Dies zeigt sich etwa beim Krieg in Syrien, wo sich die beiden Regionalmächte ebenso wie im Jemen Stellvertreter-Konflikte liefern, die auch entlang der beiden größten muslimischen Glaubensrichtungen laufen.

IRAN WILL 114 AIRBUS-FLUGZEUGE KAUFEN

Mit dem Ende der Sanktionen werden nun milliardenschwere Auslandsvermögen des Iran wieder freigegeben. Unternehmen weltweit sehen im Iran nun gute Chancen für milliardenschwere Geschäfte, die ihnen wegen der Sanktionen seit langem verbaut waren. Allein für deutsche Firmen hält der DIHK mittelfristig fünf Milliarden und langfristig zehn Milliarden Euro Exportvolumen für realistisch. Nachholbedarf gebe es im Iran im Maschinen- und Fahrzeugbau, im Wassermanagement, der Abfallwirtschaft, im Gesundheitswesen, bei Baustoffen und erneuerbaren Energien. Einen ersten Mega-Deal kündigte der Iran noch am Samstag an: Vom europäischen Hersteller Airbus sollen der Agentur Tasnim zufolge 114 Passagierflieger gekauft werden. Sie könnten laut Preisliste mehr als zehn Milliarden Euro kosten.

Mit dem Ende der Sanktionen dürfte auch mehr iranisches Öl gefördert und auf den Weltmarkt kommen. Allein die Aussicht darauf setzt den Rohstoffpreisen seit längerem zu. So war am Freitag der Preis für Öl der US-Sorte WTI auf unter 30 Dollar je Barrel (159 Liter) gefallen - den tiefsten Stand seit zwölf Jahren. Mitte 2014 mussten noch mehr als 100 Dollar gezahlt werden. Ein Grund für den Preisverfall ist die weltweite Überproduktion. Der Iran bekräftigte am Samstag gleichwohl, seine Produktion nun zunächst um 500.000 Barrel pro Tag anzuheben und in naher Zukunft um weitere 500.000.

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