Reuters

Erdbeben in Türkei sorgt für düstere Naturkatastrophen-Bilanz

27.07.2023
um 11:22 Uhr

München (Reuters) - Bei Naturkatastrophen sind in diesem Jahr so viele Menschen ums Leben gekommen wie seit 13 Jahren nicht mehr.

Allein bei dem schweren Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar starben rund 58.000 Menschen, wie die Münchener Rück in ihrer Naturkatastrophen-Bilanz am Donnerstag mitteilte. Weltweit kosteten Erdbeben, Überschwemmungen und Stürme von Januar bis Juni 62.000 Leben. Mehr waren es zuletzt 2010, als nach drei Erdbeben in Haiti, Chile und China 295.000 Naturkatastrophen-Tote verzeichnet wurden. "Bei wetterbedingten Naturkatastrophen haben wir durch Frühwarnsysteme die Opferzahlen drastisch gesenkt, bei Erdbeben müssen wir - etwa durch eine angepasste Bauweise - weniger verwundbar werden", sagte der Chef-Klimawissenschaftler des weltgrößten Rückversicherers, Ernst Rauch, der Nachrichtenagentur Reuters.

Auch auf einem Großteil der Kosten blieben die Opfer der Erdbeben sitzen. Mit 40 Milliarden Dollar verursachte das Beben zwar mehr als ein Drittel der weltweiten Naturkatastrophen-Schäden, doch nur für etwa fünf Milliarden Dollar stehen Versicherer und Rückversicherer ein. Zwar gibt es eine Pflichtversicherung für Wohngebäude in der Türkei, doch ist die Versicherungssumme auf umgerechnet 34.000 Dollar pro Wohneinheit gedeckelt. Betriebe sind dadurch nicht abgedeckt, auch Straßen und Brücken sind in der Regel nicht versichert.

In vielen Ländern Europas decken Gebäudeversicherungen auch Hochwasser normalerweise nicht ab. Die Überschwemmungen im Norden Italiens im Mai verursachten zwar zehn Milliarden Dollar Schaden, doch zahlten die Versicherer nur 1,1 Milliarden dafür. In Deutschland wird seit der Flutkatastrophe im Ahrtal über eine Pflichtversicherung gegen Hochwasser und Starkregen diskutiert. "Wir müssen uns deutlich besser an die Folgen der Erderwärmung in Form von häufigeren oder schwereren Wetterkatastrophen anpassen - durch entsprechende Bauweisen, zukunftssichere Standortauswahl und Versicherungsschutz gegen die unmittelbar finanziellen Folgen", erklärte Münchener-Rück-Vorstandsmitglied Thomas Blunck.

SORGT "EL NINO" WIRKLICH FÜR WENIGER HURRIKANE?

Weltweit waren die Naturkatastrophen-Schäden mit rund 110 (2022: 120) Milliarden Dollar etwas niedriger als in den ersten sechs Monaten 2022, lagen damit aber über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (98 Milliarden Dollar). 43 (Vorjahr: 47) Milliarden Dollar davon waren versichert, das sind weniger als 40 Prozent des wirtschaftlichen Schadens.

Am höchsten ist die Versicherungsdichte in den USA. Dort häufen sich nach den Daten der Münchener Rück neben Hurrikanen auch schwere Gewitter mit Hagelschlägen und Tornados. Sie richteten im ersten Halbjahr einen Schaden von 35 Milliarden Dollar an, wovon mehr als 25 Milliarden versichert sind. Allein eine Gewitterserie im Juni in Texas schlug mit sieben Milliarden für die Versicherer zu Buche. Und die Hurrikan-Saison, die die USA jährlich heimsucht, hat gerade erst begonnen. Schon im Juni gab es vier Stürme, die so schwer waren, dass die Wetterdienste ihnen Namen gaben.

Dabei hatten Experten für dieses Jahr wegen des "El Nino"-Wetterphänomens im Atlantik mit einer glimpflichen Hurrikan-Saison gerechnet. "Als Prognoseinstrument taugt es bedingt", warnt aber Klimatologe Rauch. Es gebe nur einen statistischen Zusammenhang zwischen der Meeresströmung und der Häufigkeit von Wirbelstürmen. "Gegenläufig wirken in diesem Jahr die sprunghaft gestiegene Oberflächentemperatur des Wassers im Atlantik, die Hurrikane begünstigt." Es gebe Indizien, dass auch das mit dem Klimawandel zu tun habe. "Das deutet darauf hin, dass wir doch eine aktive Hurrikan-Saison haben könnten", sagt Rauch. Eine belastbare Prognose sei aber schwer möglich.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

MUENCH.RUECKVERS.VNA O.N.

WKN 843002 ISIN DE0008430026