- von Tom Käckenhoff und Christoph Steitz und Vera Eckert
Essen (Reuters) - E.ON--Chef Leonhard Birnbaum will den Energiekonzern aus eigener Kraft und mit Rekord-Investitionen von 42 Milliarden Euro an die Spitze der Versorgerbranche in Europa katapultieren. "Wir haben eine solide Basis für das Wachstum der Zukunft und sehen für die Jahre 2024 bis 2028 in der Energiewende eine große Chance", sagte der Manager in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist organisches Wachstum. Es kann sein, dass wir an der einen oder anderen Stelle etwas zukaufen, um Fähigkeiten zu erwerben. Wir kaufen uns aber keinen Umsatz." Auch von einer Konsolidierung der Branche in Europa hält er nichts.
In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Spekulationen über Fusionen in dem Milliardengeschäft mit Energie gegeben. Neben großen europäischen Playern wie der italienischen Enel, Iberdrola aus Spanien oder Öl-Multis wie BP und Shell wurden dabei auch immer mal wieder E.ON und der Essener RWE-Konzern ins Spiel gebracht.
"Im Energiebereich haben wir schon einen relativ starken Energie-Binnenmarkt und eine ausgeprägte Zusammenarbeit", betonte Birnbaum. In der Schaffung einer Art Airbus der Energiekonzerne sehe er keinen Nutzen für E.ON. Aber das heiße nicht, dass es nicht eine ganze Reihe von Feldern gebe, wo Europa stärker zusammen arbeiten müsse. Hierzu gehörten etwa die Verteidigungsindustrie und die Abwehr von Cyber-Attacken.
E.ON STREBT NICHT JENSEITS VON EUROPA
Der seit April 2021 amtierende Vorstandschef äußerte sich anlässlich der Vorlage der Bilanz für das Geschäftsjahr 2023. E.ON erzielte darin einen operativen Gewinn von 9,4 Milliarden Euro. Mit rund 30 Milliarden Euro soll auf Deutschland der Großteil der geplanten 42 Milliarden Investitionen bis 2028 entfallen. E.ON zahle das aus der eigenen Bilanz und habe auch noch Potenzial, mehr zu investieren.
Sorge, dass E.ON bei den Investitionen die Anlage-Möglichkeiten ausgehen könnten, hat Birnbaum nicht. "Es gibt genügend Projekte, in die wir investieren können, wollen und werden." Auch ziehe es E.ON nicht in die Ferne: "Wir sind auf Europa fokussiert und bleiben das perspektivisch auch." E.ON ist der größte Netzbetreiber des Kontinents. Dabei geht es vor allem um regionale Verteilnetze, die für den Anschluss von Millionen Anlagen der erneuerbaren Energien, Wärmepumpen, Stromspeicher oder E-Auto-Ladestationen fitgemacht werden müssen.
Dafür werden in den kommenden Jahren Tausende Mitarbeiter gesucht. E.ON habe im vergangenen Jahr rund 3.000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, davon rund 2.400 in Deutschland. "Dabei haben wir natürlich auch festgestellt, dass wir kämpfen müssen um Spezialisten für Digitalisierung und in technischen Berufen. Trotzdem ist es uns auch hier gelungen, mehrere Hundert gesuchte Experten einzustellen."
Einen Einstieg in das Geschäft mit großen Übertragungsnetzen, wie es in Deutschland etwa Amprion oder Tennet betreiben, plant E.ON nicht. Dies sei ein Bereich mit einer völlig anderen Regulierung, betont Birnbaum. "Wir wollen unseren Geschäftsfokus jedenfalls nicht ändern." Bei der Frage, ob E.ON selbst zu einem Übernahmeziel werden könnte, gibt sich Birnbaum gelassen. "Die beste Verteidigung gegen eine Übernahme ist, dass man aus seinem Unternehmen den optimalen Wert herausholt und wächst. Und beides tun wir."
(Bericht von Tom Käckenhoff, Christoph Steitz, Vera Eckert, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)