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Scholz stellt Banken Fortschritte bei Kapitalmarktunion in Aussicht

23.04.2024
um 17:22 Uhr

Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat Fortschritte bei der seit Jahren angedachten Verzahnung der Kapitalmärkte in Europa in Aussicht gestellt.

Die sogenannte Kapitalmarktunion müsse Priorität haben, um mehr privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren, sagte der SPD-Politiker am Dienstag beim Bankentag in Berlin. Er werde zusammen mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Reformvorschläge vorlegen. Auch dieser hatte sich zu einer Reform des europäischen Finanzmarktes bekannt. Die Branche warnte, ohne Fortschritte werde der ökologische Umbau der europäischen Wirtschaft scheitern.

"Ohne die Kapitalmarktunion ist der Green Deal tot", sagte der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing. Mit dem Schlagwort wird die Transformation Richtung Klimaneutralität beschrieben. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel verwies auf Schätzungen der EU-Kommission, wonach für die Transformation und die Digitalisierung der Wirtschaft pro Jahr ein zusätzlicher Investitionsbedarf von über 745 Milliarden Euro besteht. Private Investoren müssten davon den Löwenanteil stemmen. "Unternehmen müssen sich leichter über Ländergrenzen hinweg finanzieren können, vor allem auch mit Eigenkapital." Er sei zuversichtlich, dass die Kapitalmarktunion dieses Mal auch Realität werde. "Es ist für mich einer der Pfeiler, der jetzt gemeißelt werden muss von der neuen Kommission. Da müssen wir jetzt wirklich über die Ziellinie gehen." Das Thema sei zur Chefsache geworden, was wichtig sei.

Die zersplitterten Finanzmärkte in Europa gelten als großer Wettbewerbsnachteil gegenüber den USA oder Asien. Die EU redet seit vielen Jahren über das Thema. In der Praxis stehen einer Kapitalmarktunion sehr unterschiedliche nationale Gesetze entgegen - unter anderem zu Insolvenzen, der Besteuerung von Kapitalgewinnen oder Börsengängen. Frankreich würde gerne mit einer kleinen Gruppe von EU-Staaten starten, Deutschland pocht eher auf einen breiteren Ansatz mit allen EU-Staaten. Beim jüngsten EU-Gipfel bekannten sich zwar alle Staats- und Regierungschefs zur Kapitalmarktunion. Allerdings betonten etliche kleine Staaten Vorbehalte gegen Elemente wie eine europäischen Finanzaufsicht oder eine Harmonisierung der Unternehmenssteuern.

Scholz sprach sich für eine schnelle Reform aus - durch gemeinsame Steuerstandards, eine Angleichung der Aufsicht, mehr Verbriefungen von Krediten und eine Reform der Insolvenzregeln. "Vielleicht gibt es 27-mal das beste Insolvenzrecht der Welt. Aber vielleicht wäre besser, wenn es einmal das zweitbeste wäre, aber einheitlich für alle 27."

Bei Verbriefungen werden Kredite zu Wertpapieren gebündelt und an den Markt gebracht. Das schafft in den Bilanzen der Institute Spielräume, neue Kredite zu vergeben. Dies kann der Wirtschaft Schwung verleihen. In der globalen Finanzkrise von 2008 haben solche Auslagerungen aber zu einem massiven Vertrauensverlust zwischen Banken geführt - und mündeten in einer scharfen Rezession. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sagte in einer Videobotschaft, in Deutschland gebe es gegenwärtig zu wenig Verbriefungen. Deswegen müsse dieses Instrument in den Blick genommen werden. Das forderte auch Sewing für die Privatbankenbranche.

KNACKPUNKT EINLAGENSICHERUNG

Bundesbank-Chef Nagel warb zudem für einen Kompromiss beim Streit über eine gemeinsame Einlagensicherung (Edis) - eine Art Mischmodell statt einem zentralisierten, rein europäischen Ansatz. Es könnte einen europäischen Teil geben, wenn nationale Teile aufgebraucht wären, sagte er. Über Edis wird bereits seit Jahren gestritten. Sie ist neben der gemeinsamen Bankenaufsicht, der gemeinsamen Bankenabwicklungsbehörde der dritte, jedoch noch unvollendete Bestandteil einer EU-Bankenunion, die nach den Erfahrungen der globalen Finanzkrise auf den Weg gebracht worden ist. In Deutschland wird das Vorhaben sehr skeptisch gesehen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehen ihre eigenen Sicherungssysteme in Gefahr.

Die FDP, die zuletzt immer wieder EU-Vorhaben blockiert hat, betonte, die Kommissionspläne zur Reform der Bankenabwicklungs- und Einlagensicherungsvorgaben (CMDI) größtenteils abzulehnen. "Wir wollen nicht, dass nationale Einlagensicherungssysteme dem Vorschlag der EU-Kommission folgend leichter zur Finanzierung von Krisenmanagementsystemen oder für die Abwicklung kleiner und mittlerer Banken zweckentfremdet werden", sagte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Markus Herbrand, zu Reuters. "Die deutsche Einlagensicherung muss ebenso geschützt werden wie die jahrzehntelang bewährten Institutssicherungssysteme von Sparkassen und Volksbanken. Die Kommission muss ihren Versuch einer Vergemeinschaftung nationaler Einlagensicherungssysteme aufgeben."

(Bericht von Christian Krämer, Andreas Rinke, Frank Siebelt, Maria Martinez und Reinhard Becker.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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