München (Reuters) - Nach der Corona-Pandemie und der Chip-Krise kommt dem Nürnberger Autozulieferer Leoni bei der Sanierung nun der Krieg in der Ukraine in die Quere.
In den beiden Bordnetz-Fabriken in der Nähe von Lwiw (Lemberg) werden inzwischen wieder Kabelbäume für die europäischen Autobauer hergestellt, wie Vorstandschef Aldo Kamper am Mittwoch auf der Bilanzpressekonferenz sagte. Ein Teil der Produktion muss aber wegen des russischen Einmarschs eilig für eine gewisse Zeit nach Rumänien und Serbien verlagert werden. "Wir machen das Unmögliche möglich", sagte Kamper. Die Kosten dafür übernehmen zum Teil die Kunden, also die Autobauer, die wegen des Teilemangels die Bänder stoppen mussten. "Wir haben pragmatische Lösungen für die Mehrkosten gefunden."
Umsatz und operativer Gewinn fielen aber wegen des Krieges in diesem Jahr geringer aus als gedacht, räumte Kamper ein. Fünf (Vorjahr: 5,1) Milliarden Euro Umsatz seien wohl ebensowenig drin wie ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag beim Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit). Ob Leoni 2022 unter dem Strich in die Gewinnzone zurückkehren werde, sei offen, sagte die scheidende Finanzvorständin Ingrid Jägering. Im vergangenen Jahr stand ein Nettoverlust von 28 Millionen Euro zu Buche, der die Kapitaldecke auf 229 Millionen Euro schrumpfen ließ. In Russland und der Ukraine drohen Abschreibungen von bis zu 125 Millionen Euro auf die Werke. Im aktualisierten Sanierungsgutachten werde Leoni aber Restrukturierungsfähigkeit attestiert, sagte Kamper.
Das ist wichtig für die Verhandlungen zur Verlängerung der Ende dieses Jahres auslaufenden Kredite. Leoni ist insgesamt mit 1,5 Milliarden Euro verschuldet, ein Großteil davon muss noch in diesem Jahr refinanziert werden. Jägering sprach von konstruktiven Gesprächen mit dem Bankenkonsortium. Frisches Geld soll mit dem Verkauf des Kabelgeschäfts mit der Autoindustrie in die Kasse gespült werden. Die Interessenten prüften gerade die Bücher, sagte Kamper. Automotive Cable Solutions machen fast 60 Prozent des Umsatzes der Kabel-Sparte aus, von der sich Leoni im Zuge der Konzentration auf das Bordnetz-Geschäft trennen will. Deren Geschäft mit Industriekunden war mit einer Bewertung von 450 Millionen Euro und 3000 Mitarbeitern an den Investor BizLink gegangen.
Kamper zog eine positive Bilanz der bisherigen Sanierung: Das Sparprogramm "Value21", das 130 Millionen Euro kostete, habe Einsparungen von 800 Millionen Euro gebracht, deutlich mehr als erwartet. "Auftrag erfüllt. Wir haben die wilde Fahrt gemeistert", sagte der Vorstandschef. Leoni habe angesichts der Serie von Krisen "keine Minute zu früh damit angefangen".