Zürich (Reuters) - Der Vermögensverwalter Julius Bär verschreckt die Anleger mit einer Gewinnwarnung und offenen Fragen zu einer Geschäftsbeziehung mit der kriselnden Signa-Gruppe von Immobilieninvestor Rene Benko. Angesichts von Kreditrückstellungen und höheren Steuern stellte die Schweizer Bank am Montag für 2023 einen sinkenden Gewinn in Aussicht, nachdem das Institut 2022 unter dem Strich 950 Millionen Franken verdient hatte.
Alleine im bisherigen Verlauf des Monats November verbuchte Bär Wertberichtigungen auf dem Kreditportfolio von 70 Millionen Franken.
Einem kürzlich veröffentlichten Bericht von "Business Insider" zufolge soll Bär insgesamt rund 600 Millionen Euro an die Signa-Gruppe verliehen haben. Eine mit der Sache vertraute Person erklärte, Bär sei bei Signa exponiert und dürfte wohl einige dieser Kredite abschreiben. Bär wollte sich nicht zu der Frage äußern, ob Signa oder ihr Gründer Benko Kunden seien und die Rückstellungen ausgelöst hätten.
Zur Signa-Gruppe gehören neben Prestige-Immobilien wie dem Chrysler Building in New York auch die Warenhausketten Galeria in Deutschland oder Globus in der Schweiz. Signa steht wie viele Immobilien-Unternehmen wegen der hohen Baukosten und der rasant gestiegenen Zinsen unter Druck. Die Österreicher pflegten mit einer ganze Reihe von Geldhäusern Geschäftsbeziehungen. So hat die Gruppe einem Insider zufolge bei fast allen namhaften österreichischen Geldhäusern Kredite ausstehen.
Zu der Wertberichtigung erklärte Bär: "Die Gesamtqualität des Kreditbuchs und der Bilanz bleibt davon unbeeinträchtigt, wobei eine konstant starke Kapitalisierung und eine hohe Liquidität ausreichend Kapazität bieten, um jegliche aus der Geschäftstätigkeit der Gruppe resultierenden Risiken aufzufangen." Doch die Anleger nahmen Reißaus, an der Börse stützten die Bär-Titel um über 13 Prozent auf ein Jahrestief ab.
Während die Auswirkungen der Krediteinbusse überschaubar wirkten, seien Fragen zum Risikomanagement unvermeidlich, erklärten die Jefferies-Analysten. "Die Anleger dürften sich fragen, wie ein einziger Kunde - falls dies tatsächlich der Fall ist - zu einer so hohen Kreditrückstellung geführt hat und ob es weitere übergroße Einzelkundenengagements geben könnte."
ANALYST: ZIEL 2025 AMBITIONIERT
Nicht nur die Wertberichtigungen und der Gewinnausblick fielen enttäuschend aus, sondern auch andere finanzielle Eckwerte. So sammelte Bär in den ersten zehn Monaten des Jahres bei den Kunden netto 10,3 Milliarden Franken ein. Das Geld stammte unter anderem aus der Schweiz, Großbritannien, Deutschland, Hongkong, Japan, den Emiraten und Israel. Analysten hatten allerdings mehr erwartet. In den ersten sechs Monaten hatte Bär unter anderem dank der Krise bei dem von der UBS übernommenen Konkurrenten Credit Suisse Neugeld von 7,1 Milliarden Franken eingeworben. Von Juli bis Oktober lag die Wachstumsrate dann nur noch rund halb so hoch wie etwa beim Rivalen EFG International.
Mit der Einstellung von netto 75 Kundenberatern und mit einer vielversprechenden Pipeline für weitere Neueinstellungen investiere Bär in zukünftiges Wachstum, teilte das Bankhaus weiter mit. Insgesamt beschäftige das Geldhaus nun 1323 Berater. Diese Neueinstellungen hätten aber auch zu einem Anstieg des Kosten-Ertrags-Satzes auf fast 68 Prozent von 66 Prozent im Gesamtjahr 2022 beigetragen. Bis 2025 will sich Bär auf unter 64 Prozent verbessern. Doch aus heutiger Sicht scheine es schwierig, diese Vorgabe zu erreichen, erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti.
(Bericht von Oliver Hirt und Noele Illien. Redigiert von Elisa Martinuzzi. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)