Frankfurt (Reuters) - Die deutsche Chemieindustrie blickt nach einem deutlichen Rückgang bei Umsatz und Produktion im vergangenen Jahr mit Sorge auf 2024.
Zwar komme nach der Durststrecke erste Hoffnung auf. "Seit Februar berichten einzelne Unternehmen von einer leicht verbesserten Auftragslage ? vor allem im Ausland", sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands VCI, Wolfgang Große Entrup, am Donnerstagabend. "Ob dies bereits die Vorboten einer baldigen Erholung sind, bleibt abzuwarten." Die Lage sei nach wie vor "extrem schwierig" und eine konjunkturelle Trendwende nicht erkennbar. "Eine Erholung erwarten wir frühestens für die zweite Jahreshälfte."
Für 2024 rechnet der Verband mit einem Rückgang des Branchenumsatzes von 3,5 Prozent. Im Dezember hatte er noch ein Minus von drei Prozent erwartet. Die Erzeugerpreise dürften weiter um ebenfalls 3,5 Prozent nachgeben und die Produktionsmengen auf niedrigem Niveau stagnieren. Die hohen Produktionskosten am Standort Deutschland und der anhaltende Auftragsmangel belasteten die Unternehmen weiter. Auch die Lage auf den Energie- und Rohstoffmärkten bleibe angespannt.
Der VCI erwartet, dass sich die Auftragslage im Inland nicht wesentlich bessern wird. Im Ausland ruhen die Hoffnungen auf den USA und China. Noch sei aber unklar, ob die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland davon profitieren könne. Insgesamt dürfte die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen "Made in Germany" schwach bleiben, denn alle Industriebranchen in Deutschland drosselten die Produktion. Probleme bereiteten auch Überkapazitäten in China: "Weil die Nachfrage im Inland schwächelt, drängt China vehement auf den Weltmarkt und setzt damit vor allem die europäischen und deutschen Hersteller unter Druck."
Das Münchner ifo-Institut machte indes zuletzt kleine Lichtblicke aus: Erstmals seit fast zwei Jahren sei die Nachfrage nach Chemieerzeugnissen gestiegen und es habe im Februar mehr Aufträge als im Vormonat gegeben. Das Geschäftsklima in der deutschen Chemie habe sich leicht verbessert, die Firmen hätten ihre Aussichten aber erneut etwas pessimistischer beurteilt.
2023 MIT DEUTLICHEM UMSATZ-RÜCKGANG
Im vergangenen Jahr brach der Branchenumsatz laut VCI um rund zwölf Prozent auf gut 229 Milliarden Euro ein. Die Produktion sank im Vergleich zum Vorjahr um knapp acht Prozent, ohne das Pharmageschäft lag das Minus bei mehr als zehn Prozent. "Einen vergleichbar niedrigen Wert gab es zuletzt vor fast 30 Jahren", sagte Große Entrup. Die Erzeugerpreise gingen um 0,4 Prozent zurück. Im Schlussquartal stand bei den Preisen allerdings ein Minus von gut fünf Prozent zu Buche.
"Das Jahr 2023 hat auf der ganzen Linie enttäuscht. Und die guten Nachrichten für den Standort Deutschland bleiben auch weiterhin rar gesät", sagte Große Entrup. Die Branche leidet unter den noch immer vergleichsweise hohen Energiepreisen, hohen Rohstoffkosten und der schwachen Konjunktur. Für die Beschäftigten in Deutschlands drittgrößtem Industriezweig nach Autobranche und Maschinenbau hatte es zuletzt eine Reihe von Hiobsbotschaften gehagelt. Branchenprimus BASF kündigte an, seinen Sparkurs zu verschärfen und einen weiteren Stellenabbau zu planen. Auch bei Lanxess und Evonik werden Arbeitsplätze gestrichen.
"Den unruhigen geopolitischen Zeiten zum Trotz entscheiden sich Unternehmen bei ihren Investitionen immer häufiger fürs Ausland", sagte Große Entrup. "Deindustrialisierung ist inzwischen etwas, das wir spüren. Es gibt Unternehmen die nur noch Erhaltungsinvestitionen tätigen, aber nicht mehr neue." Lanxess hatte dies schon Ende 2022 angekündigt.
(Bericht von Patricia Weiß, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)