Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz hat eine beispiellose Nachfrage nach Rechenzentren und deren Energieversorgung ausgelöst. Was zunächst als technologischer Fortschritt begann, entwickelt sich zunehmend zu einem fundamentalen Wandel der globalen Energieinfrastruktur. Während Tech-Giganten wie Meta Platforms oder Google Hunderte von Milliarden USD in KI-Infrastruktur investieren, entsteht parallel ein völlig neuer Markt für spezialisierte Energieversorger und Datacenter-Betreiber.
Die Dimensionen dieses Wandels sind beeindruckend:
Meta-Chef Mark Zuckerberg kündigte diese Woche Investitionen in Höhe von "Hunderten von Milliarden USD" für die nächste KI-Generation an, primär für Multi-Gigawatt-Rechenzentren. Diese benötigen etwa hundertmal mehr Energie als heutige Großrechenzentren. Gleichzeitig prognostiziert das Beratungsunternehmen Newmark für Europa einen Anstieg des Strombedarfs von Rechenzentren von 96 Terawattstunden im Jahr 2024 auf 236 Terawattstunden bis 2035. In den USA soll sich der Anteil der Rechenzentren am Gesamtstromverbrauch bis 2030 von 126 auf 390 Terawattstunden verdreifachen.
Diese Entwicklung schafft nicht nur neue Investitionsmöglichkeiten, sondern führt auch zu einer Neubewertung etablierter Energieunternehmen.
Unabhängige Stromerzeuger, Nuklearspezialisten und innovative Datacenter-Betreiber stehen plötzlich im Rampenlicht der Kapitalmärkte. Dabei zeichnet sich ab, dass traditionelle Energiequellen wie Nuklear- und Gaskraft eine Renaissance erleben, während gleichzeitig völlig neue Geschäftsmodelle entstehen. Und so gelangen wir auch schon zu den Top-Stocks, die man in dieser Hinsicht unbedingt im Blick haben sollte.
Talen Energy: Vom Atomkraft-Spezialisten zum Datacenter-Versorger
Talen Energy hat sich binnen weniger Monate von einem regionalen Stromerzeuger zu einem der heißesten Werte im Energiesektor entwickelt. Der unabhängige Stromproduzent vollzog kürzlich eine strategische Neuausrichtung, die das Unternehmen perfekt für den KI-Boom positioniert. Die Aktie hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt und wurde hauptsächlich durch die Begeisterung für Datacenter-Verträge angetrieben.
Den Grundstein für diese Erfolgsgeschichte legte eine wegweisende Partnerschaft mit Amazon Web Services.
Bis 2042 wird AWS mit bis zu 1.920 Megawatt CO2-freiem Strom aus Talens Kernkraftwerk Susquehanna versorgt. Diese Vereinbarung demonstriert die wachsende Bedeutung nuklearer Energie für Rechenzentren, da diese eine konstante, wetterunabhängige Stromversorgung ohne Kohlendioxid-Emissionen bietet. Jüngst erweiterte Talen seine Kapazitäten durch eine milliardenschwere Akquisition erheblich. Für 3,5 Mrd. USD erwirbt das Unternehmen zwei hocheffiziente Gas-Kombikraftwerke - das Moxie Freedom Energy Center in Pennsylvania und die Guernsey Power Station in Ohio. Diese Transaktion, die im vierten Quartal 2025 abgeschlossen werden soll, erhöht die jährliche Stromproduktion um 50 % von bislang 40 auf künftig 60 Terawattstunden.
Die strategische Brillanz dieser Übernahme liegt in mehreren Faktoren: Die neuen Anlagen verfügen über eine erstklassige Wärmerate von durchschnittlich 6.550 Btu/kWh und profitieren von direktem Zugang zu den reichhaltigen Erdgasvorkommen der Marcellus- und Utica-Schieferformationen. Zudem erfolgte die Übernahme zu einem attraktiven Multiplikator von 6,7x auf das erwartete EBITDA 2026 - deutlich unter den aktuellen Neubaukosten vergleichbarer Kraftwerke. Das Management von Talen erwartet bereits ab 2026 eine Steigerung des Free Cashflows je Aktie um über 40 %, bis 2029 sogar um mehr als 50 %. Trotz der Finanzierung über 3,8 Mrd. USD an neuen Schulden bekräftigt das Unternehmen seine Absicht, die Verschuldung bis Ende 2026 auf maximal das 3,5-Fache des EBITDA zu senken. Gleichzeitig plant Talen weiterhin Aktienrückkäufe von jährlich rund 500 Mio. USD.
Oklo: Der Nuklear-Pionier mit Cooling-Innovation
Oklo repräsentiert eine völlig neue Generation von Nuklearunternehmen, die speziell auf die Anforderungen des KI-Zeitalters zugeschnitten sind. Das Startup hat sich auf kleine modulare Reaktoren spezialisiert, die weniger Energie als traditionelle Großreaktoren produzieren, aber einfacher zu konstruieren und zu installieren sind. Die Aktie ist in diesem Jahr um beeindruckende 194 % gestiegen und hat sich in den vergangenen zwölf Monaten fast versiebenfacht.
Die jüngste Partnerschaft mit Vertiv Holdings zeigt, wie innovativ Oklo an die Herausforderungen der Datacenter-Kühlung herangeht.
Unter den Bedingungen einer Kooperationsvereinbarung entwickeln die Partner Systeme, die Wärme von einem vor Ort befindlichen Kraftwerk nutzen, um Kühlsysteme für Rechenzentren anzutreiben. Die Pilottechnologie-Demonstration ist für Oklos erstes Aurora-Kraftwerk im Idaho National Laboratory geplant. CEO Jacob DeWitte erläuterte die technologischen Vorteile: "Ein einzelnes Gramm nuklearen Brennstoffs enthält etwa eine Million Mal mehr Energie als ein Gramm Kohle oder Öl. Diese Art von Energiedichte ermöglicht es Oklo, industrielle Elektrizität und nutzbare Wärme aus einem kompakten Fußabdruck zu erzeugen, mit minimalem Abfall und null Kohlenstoff-Emissionen."
Der entscheidende Vorteil nuklearer Energie liegt in ihrer Zuverlässigkeit
Nuklearanlagen laufen mehr als 92 % der Zeit mit voller Leistung, verglichen mit 74 % bei Geothermie und nur 35 % bei Windkraft. DeWitte betont: "Das ist ein kritisches Merkmal für Rechenzentren, die es sich nicht leisten können, mit der Volatilität von Wind- und Solarenergie hoch- und runterzufahren." Oklo hat kürzlich seine Voranmeldungs-Bereitschaftsbewertung für Phase 1 seiner kombinierten Lizenzanwendung bei der US-Atomaufsichtsbehörde abgeschlossen. Das Unternehmen hält an seinem Ziel fest, bis Ende 2027 kommerziellen Strom zu liefern, obwohl Analysten gemischte Meinungen über die Machbarkeit von Oklos ehrgeizigen regulatorischen und kommerziellen Zeitplänen haben.
CoreWeave: Der Datacenter-Gigant mit Vertikal-Integration
CoreWeave verkörpert eine neue Generation von Datacenter-Betreibern, die sich vollständig auf KI-Workloads spezialisiert haben. Nach dem Börsengang im März 2025 hat das Unternehmen mit einer beeindruckenden Marktkapitalisierung von rund 68 Mrd. USD die Aufmerksamkeit der Investoren auf sich gezogen. Die Strategie des Unternehmens konzentriert sich darauf, den US-Markt zu dominieren, indem es einen tief verteidigbaren Wettbewerbsvorteil aufbaut. Der entscheidende strategische Schachzug ist die geplante 9 Mrd. USD schwere Aktienübernahme von Core Scientific. Diese clevere strategische Aktion zielt darauf ab, die kritischste Ressource der KI-Industrie zu kontrollieren: Energie und Rechenzentrumskapazität. Durch den Erwerb von Core Scientifics 1,3 Gigawatt Energieinfrastruktur sichert sich CoreWeave effektiv seine Lieferkette und reduziert ein erhebliches Risiko, dem alle anderen KI-Akteure ausgesetzt sind.
Die finanziellen Vorteile für die Aktionäre dürften beträchtlich sein
Der Deal soll mehr als 10 Mrd. USD an zukünftigen Leasingverpflichtungen eliminieren und etwa 500 Mio. USD an jährlichen Kosteneinsparungen generieren. Da der Deal vollständig mit Aktien strukturiert ist, gewinnt CoreWeave diesen wertvollen Vermögenswert, ohne Schulden in seine Bilanz aufzunehmen. Massive Verträge mit Branchenriesen untermauern diese operative Kontrolle und stützen einen Auftragsbestand von 25,9 Mrd. USD, der hervorragende Sichtbarkeit für zukünftige Erträge bietet. Die Analystenstimmung ist allerdings gemischt: CoreWeave hält derzeit ein Hold-Konsensrating, was auf seine Premiumbewertung hindeuten könnte.
Nebius Group: Der europäische Herausforderer mit globalem Ehrgeiz
Nebius Group präsentiert eine völlig andere Herangehensweise an den KI-Infrastrukturmarkt. Nach der Abspaltung als eigenständige europäische Einheit konzentriert sich das Unternehmen auf aggressive internationale Expansion und zeigt bemerkenswerte Wachstumsraten. In seinem jüngsten Quartalsbericht verzeichnete das Unternehmen einen atemberaubenden Umsatzanstieg von 385 % im Jahresvergleich. Dieses Hyperwachstum wird durch einen 2 Mrd. USD Kapitalinvestitionsplan für 2025 angetrieben. Dieses Kapital wird eingesetzt, um schnell neue Rechenzentren in Europa, den USA und dem Nahen Osten zu errichten. Obwohl diese Ausgaben die kurzfristigen Gewinne beeinträchtigen, hat Nebius einen klaren Weg nach vorn aufgezeigt und erwartet, in der zweiten Hälfte 2025 operativ profitabel zu werden.
Ein Schlüsselelement der Nebius-Strategie ist die Sicherung eines First-Mover-Vorteils
Das Unternehmen wurde als erster Cloud-Anbieter bekannt, der NVIDIAs neueste Blackwell-Superchips in Europa anbietet, was ihm einen mächtigen Vorteil beim Anlocken der wertvollsten Kunden des Kontinents verschafft. Der Konzern hat ja zuletzt mit der Einführung europäischer Kapazitäten für den NVIDIA Grace Blackwell GB200 Superchip sowie einer Kooperation mit Saturn Cloud zur Bereitstellung schlüsselfertiger KI-/ML-Infrastruktur auf Basis von Hopper-GPUs auf sich aufmerksam gemacht. Mit einer Marktkapitalisierung von etwa 13 Mrd. USD ist Nebius ein kleinerer, agilerer Herausforderer im Vergleich zu CoreWeave, was mehr Aufwärtspotenzial suggeriert, falls das Unternehmen seinen globalen Wachstumsplan erfolgreich umsetzen kann. Besonders vielversprechend sieht in dieser Hinsicht das vollintegrierte Mietmodell von Nebius für GPU-Infrastruktur, das im Vergleich zur Konkurrenz durch Skalierbarkeit und Kostenvorteile heraussticht. Mit wachsender Nachfrage nach Rechenleistung im Bereich generativer KI positioniert sich Nebius als aussichtsreicher Akteur im Rennen um die nächste Generation der Cloud-Infrastruktur, was man nicht unterschätzen dürfte.
Taiwan Semiconductor: Der unverzichtbare Chip-Gigant
TSMC steht genauso wie NVIDIA ganz im Zentrum der gesamten KI-Revolution und hat nach einem weiteren herausragenden Ergebnisbericht neue Höchststände erreicht. Die Marktkapitalisierung des Chip-Giganten überstieg erstmals die Billionen-Dollar-Marke. Nach einem schwierigen Jahresstart aufgrund von Präsident Trumps Zollankündigungen - die Aktie fiel zunächst um 28 % nach der Ankündigung eines 32%igen Zolls auf taiwanesische Importe - erholte sich die Aktie um über 70 % und zog auf ein neues Allzeithoch.
TSMC profitiert von seiner Position als unverzichtbarer Partner der KI-Industrie
Das Unternehmen verfügt über die fortschrittlichsten Chip-Herstellungsprozesse, und seine Kunden sind Haushaltsmarken wie Apple, NVIDIA und Advanced Micro Devices. Selbst Intel, das stolz auf seine eigenen Herstellungsprozesse ist, war gezwungen, Verträge mit TSMC abzuschließen. Während Apple TSMCs fundamentaler Kunde bleibt und über 200 Mio. iPhone-Chips jährlich bestellt, sind die Schlüssel zur aktuellen Performance die Chips von NVIDIA, dem Marktführer in der KI-Technologie. In seinem gerade berichteten zweiten Quartal stiegen TSMCs Umsatz und Gewinne um 39 % bzw. 61 % gegenüber dem Vorjahr. Und in dieser Hinsicht kann man mit sicherheit sagen, dass AI Cloud Geschäft eine 30%ige Umsatzexpansion im Kalenderjahr 2025 befeuern wird, während KI in den kommenden Jahren eine größere Siliziumnutzung in PC-/Mobilgeräten antreiben könnte, was eine Erweiterung dieser Umsatzquelle bedeuten würde. Allerdings bleibt der Zolleinfluss auf die Nachfrage ein Risiko, das man im späteren Jahresverlauf nicht ignorieren darf.
Weitere Marktakteure und Entwicklungen
Abschließend ist der KI-Trend auch im Rahmen der europäische Energielandschaft anzusprechen, denn auch hier ergeben sich mittlerweile interessante Investmentmöglichkeiten. UBS-Analysten platzierten das deutsche Unternehmen RWE und den dänischen Windkraft-Spezialisten Orsted auf ihre Liste der bevorzugten europäischen Versorgungsaktien, wobei sie die steigende Stromnachfrage von Rechenzentren als Schlüsselfaktor nannten. RWE hat in diesem Jahr bereits 26 % zugelegt, während Orsted um 9,6 % gefallen ist.
In den USA profitieren zugleich auch andere unabhängige Stromerzeuger wie Constellation Energy und Vistra von der Aussicht auf knappe Stromversorgung. Jede dieser Aktien ist in diesem Jahr um mehr als 30 % gestiegen, was darauf hindeutet, dass es sich um einen überfüllteren Handel handelt als bei europäischen Aktien.
Für Anleger, die eine nuklear betriebene US-Alternative suchen, stellt Georgia Power - im Besitz und betrieben von Southern Co. - einen Elektrizitätsversorger dar, der bereits bei Nuklearenergie führend ist. Seine zwei kürzlich eröffneten Nuklearreaktoren sind die einzigen, die im vergangenen Jahrzehnt in den USA gebaut wurden.
Doch trotz der optimistischen Aussichten bleiben erhebliche Risiken bestehen. Der von Präsident Trump angestoßene Handelskrieg ist aktuell das größte kurzfristige Risiko für viele dieser Unternehmen. Obwohl die Produktion in US-Fabriken hochfährt, bleibt bspw. TSMC sehr sensibel für Zölle auf Geräte, die seine Chips verwenden, von denen die meisten in Taiwan, China, Indien, Vietnam und Mexiko hergestellt werden.
Für Nuklearunternehmen wie Oklo bestehen regulatorische Unsicherheiten. Analysten haben gemischte Meinungen über die Machbarkeit der ehrgeizigen Zeitpläne des Unternehmens. Der mehriährige Genehmigungsprozess für kleine modulare Reaktoren bleibt ein Haupthindernis.
Die massive Kapitalintensität der Branche stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Goldman Sachs prognostiziert, dass das US-Stromnetz bis 2030 etwa 720 Mrd. USD an Ausgaben benötigen könnte, um das Wachstum zu unterstützen. In Europa wird der Investitionsbedarf für das Stromnetz auf 100 Mrd. EUR jährlich über das nächste Jahrzehnt geschätzt.
Doch im Wesentlichen gelangen wir zum Entschluss, dass die angebrochene KI-Revolution eine historische Veränderung der Technologieinfrastruktur darstellt, die weit über kurzfristige Trends hinausgeht. Unternehmen wie Talen Energy, Oklo, CoreWeave und Nebius Group haben sich als wesentliche Säulen dieser neuen Wirtschaft positioniert und bieten verschiedene, aber kraftvolle Wege, in diese Bewegung zu investieren.
Die Diversität der Ansätze ist der Schlüssel zum Erfolg: Talen Energy bietet die Story eines etablierten Energieversorgers, der sich erfolgreich auf Rechenzentren ausrichtet. Oklo präsentiert innovative Nukleartechnologie mit integrierter Kühlungslösung. CoreWeave zeigt den Weg der vertikalen Integration und Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette, während Nebius Group auf explosive internationale Expansion setzt.
Für Investoren, die Exposure zum fundamentalen Layer der KI suchen, repräsentieren diese Unternehmen überzeugende Gelegenheiten an der Spitze der Innovation. Die Herausforderung liegt darin, die verschiedenen Risiko-Rendite-Profile zu verstehen und diejenigen auszuwählen, die am besten zur eigenen Anlagestrategie passen.
Viel Erfolg und bleiben Sie Profitabel!
Verantwortlicher Redakteur Kulikov Leonid: besitzt derzeit Aktien von Alphabet und Amazon, die im Text mitangesprochen werden.